Auf einer Bohrplattform in der Nordsee

Auf einer Bohrplattform in der Nordsee (09.-11. September 1997),

und einige Nachdenklichkeiten

 

 

 
   


Nach jahrzehntelanger Tätigkeit im Dienste der Erdgasversorgung werde ich jetzt zur „Quelle“ dieses Energieträgers geführt.

Bereits seit Jahren kommt ein hoher Prozentsatz des in Europa verbrauchten Erdgases aus  dem Festlandsockel in der Nordsee. Wen würde es nicht reizen, eine der Bohrplattformen dort draußen auf dem Meer zu besichtigen? Aber ein solcher Besuch ist nicht buchbar wie eine Urlaubsreise. Es



geht nur auf der Basis von Fachveranstaltungen, die von den Bohr- und Fördergesellschaften oder den Ferngasunternehmen, wie Ruhrgas AG und Verbundnetz Gas AG, durchgeführt werden.

Ich bin also in der Zeit vom 09. bis 11. September 1997 Gast der Verbundnetz Gas AG, kurz VNG, auf dieser interessanten Exkursion. Am 09. September fliege ich mit der skandinavischen Fluggesellschaft SAS  von Köln/Bonn über Kopenhagen und Oslo (beide male umsteigen) nach Bergen, der alten Hansestadt an der norwegischen Küste der Nordsee. Auf dem Flug von Kopenhagen nach Oslo verlassen wir das Gebiet der Europäischen Union, müssen also normalerweise in Oslo das Gepäck in Empfang nehmen, durch den Zoll bringen und anschließend wieder am Schalter für Bergen abgeben. Wegen erheblicher Verspätung des Fluges Kopenhagen-Oslo werden wir über Lautsprecher informiert, das Gepäck werde ausnahmsweise am Zoll vorbei direkt zum Flugzeug nach Bergen gebracht. Folgsam wie ich bin, gehe ich leger mit leeren Händen zur Bergener Maschine und komme eine Stunde später prompt ohne Gepäck in Bergen an. Ich reklamiere meinen Koffer, der dann problemlos mit der nächsten Maschine ankommt und direkt zum Hotel Radisson, das der Fluggesellschaft SAS gehört, auf mein Zimmer gebracht wird. Also im Grunde ist es gar nicht erwähnenswert.

Am Tag unserer Ankunft wartet noch  ein interessantes Stadtbesichtigungsprogramm auf uns. Die berühmten Giebelhäuser von Brygge, mit ihren hölzernen Speicherhäusern und der mit Holzbohlen ausgelegten engen Straße sind eine Hinterlassenschaft der Hanse, also im wesentlichen der deutschen Kaufleute. Und dann fahren wir selbstverständlich nach Troldhaugen, dem ehemaligen Alterssitz des Komponisten Edvard Grieg, mit später hinzugekommenem Konzertsaal und Museum.



 

           Bohrplattform „Snorre“ in der Nordsee etwa 150 km vor der 

                                             norwegischen Küste



Zählebiger dialektischer Materialismus  (siehe auch: Am Ende des 2. Jahrtausends)     

Den Abend verbringen wir, in der Mehrzahl Mitarbeiter der Verbundnetz Gas AG aus Leipzig, einigen Hochschuldozenten und Führungskräften von Versorgungsbetrieben aus den Neuen Ländern, in der Hotelbar bei einem Glas Wein. Mehr darf wegen des für den nächsten Tag angesetzten Fluges zur Bohrplattform und des Aufenthaltes auf derselben nicht getrunken werden.

              Für mich ist der Eifer der ostdeutschen Hochschuldozenten fast beängstigend, zumindest unverständlich, unsereinen aus dem Westen vom „unverdienten“ Vorteil des in der DDR vermittelten Wissens bezüglich des dialektischen Materialismus überzeugen zu wollen. (Die Fachkollegen verhalten sich anders, sie haben andere Sorgen und wissen um den im Osten angerichteten geistigen und wirtschaftlichen Kahlschlag). Diese mehr als leichte Überheblichkeit, die vielfach Inselmenschen zu eigen ist -und Inselmenschen waren sie ja fast ein halbes Jahrhundert lang- wird selbst in banale Unterhaltungen eingeflochten. Spreche ich zum Beispiel möglichst belanglos vom Weißwurschtäquator, der ja bekanntlich die Bayern und Franken von den 

Nord- und Mitteldeutschen auf Grund ihrer unterschiedlichen Essgewohnheiten trennt, so wird unverhohlen die Bemerkung eingeworfen, die Schweden unter Gustav Adolf seien im Dreißigjährigen Krieg nicht weit genug nach Süden vorgedrungen. Als ob es z.B. in der Schweiz, also noch weiter südlich, keine Reformatoren Zwingli und Calvin gegeben hätte und als ob die katholischen Franzosen nicht aus rein machtpolitischen Gründen gemeinsame Sache mit den protestantischen Schweden gemacht hätten und zwar ausschließlich zum Schaden Deutschlands. Mit Hilfe Schwedens wurde das Heilige Römische Reich deutscher Nation verkrüppelt, zertrümmert und in 1800 politische Gebilde zerlegt. Gute Nacht, ihr Schnelldenker! Bereits 1629 hatte der schwedische Reichsrat erklärt, dass die Landung des Königs in Deutschland nicht leeren Ruhm oder andere Ursachen, sondern allein den Nutzen.....im Auge habe. Am Ende des Gemetzels standen den Schweden die Zölle fast aller Flußmündungen zu.

Der deutsche Protestantismus bediente sich aber wesentlich der Fürstenherrlichkeit gegen das Heilige Römische Reich deutscher Nation und gegen den Papst. Es darf nicht verschwiegen werden, dass durch die Judenfeindlichkeit Luthers ein langwirkender nationalistischer Antisemitismus mit schlimmen Folgen in unserer jüngsten Vergangenheit entstand. Zum 500. Geburtstag der Reformation, also zu einem späteren Zeitpunkt, stellt sich die evangelische Kirche dem Judenhass des Reformators Luther. Das ist heilsam und besser, als wenn man zur Abschirmung dieses Problems immer wieder geschwind den Ablassprediger Tetzel aus dem Spind holt, der ja von seinem unseligen Wirken und selbst vom Namen her gut hierfür geeignet ist.

Welch ein Mangel an Geschichtskenntnissen!

Ich muß bei einigen Bemerkungen meiner Gesprächspartner an Friedrich Dürrenmatts Komödie „Romulus der Große“ denken, in der er Romulus sagen lässt: „Wenn die Germanen nach Italien oder Gallien kommen, zivilisieren wir sie, aber wenn sie in Germanien bleiben, zivilisieren sie sich selbst, und das muß fürchterlich werden.“ Die armen Kollegen durften ja jahrzehntelang nicht in die

kulturträchtigen Länder Europas reisen! Wie gesagt, ich musste, warum auch immer, hierbei an Romulus denken. Meine Bemerkung aber lautete schlicht:

 „Ich liebe und schätze die Kulturvielfalt Europas im Allgemeinen und die Deutschlands im Speziellen.“

 



Drohender Stumpfsinn?       

Und dann sei hier noch auf einen Gedanken hingewiesen, den der Publizist und Schriftsteller Sebastian Haffner Anfang 1939 im englischen Exil verfasste: „Jenseits der Bildungsschicht heißt und hieß die große Gefahr des Lebens in Deutschland immer Leere und Langeweile. Ausgenommen vielleicht in gewissen geographischen Randgebieten: Bayern und Rheinland- wo etwas Süden, Romantik und Humor ins Bild kommen. Über den großen Flächen Nord- und Ostdeutschlands, in seinen farblosen Städten, hinter seinen allzu fleißig, gründlich und pflichtbewußt betriebenen Geschäften und Organisationen droht und drohte immer der Stumpfsinn. Und zugleich der horror vacui und der Wunsch nach Erlösung: Erlösung durch Alkohol, durch Aberglauben oder, am besten, durch einen großen, alles überschwemmenden, billigen Massenrausch“.

Also Nährboden für Drittes Reich, DDR und Rechtsradikale? Ich habe viele Ostdeutsche in besserer Erinnerung. Oder?

Am nächsten Tag, dem 10. September 1997, startet die Fahrt zum Helikopterflughafen bereits um 7.45 Uhr. Da am Vortag ein Hubschrauber des üblicherweise eingesetzten Typs ins Meer gestürzt war, werden heute alle Maschinen dieses Fabrikats aus dem Verkehr gezogen. Wir starten, leicht verspätet, kurz nach 9.00 Uhr mit einem etwa 80 Personen fassenden Hubschrauber in Richtung Snorre-Plattform, die etwa 150 km vor der norwegischen Küste verankert ist. Unterwegs erblicken wir andere Plattformen rechts und links von unserem geradlinigen Kurs. Wir landen nach ca. 70 bis 80 Minuten Flugzeit auf einer eigentlich recht klein bemessenen, hoch liegenden  Landefläche. Die Bohrplattform (so die gebräuchliche Bezeichnung statt Bohrinsel) ist in jeder Hinsicht beeindruckend, haben diese Giganten des Meeres doch bei einer Höhe von bis zu 300 m ein Riesengewicht. Allein der Beton- und Stahlponton wiegt mehr als die beiden Türme des World Trade Center in New York zusammen. Hier wird also das Erdgas aus dem Boden der Nordsee zu Tage gefördert. Im Jahr 2000 sollen schätzungsweise 30 % unseres Erdgases aus den Off-shore-Feldern der Nordsee bezogen werden.

Die hier beschäftigten Arbeiter und Angestellten werden angeblich gut bezahlt. Sie bleiben 2 Wochen mit 12 Stunden Arbeit pro Tag „an Bord“ und erhalten dann 3 Wochen Urlaub, um keinen Seekoller zu bekommen. Das Bild oben verdeutlicht die Anhäufung der Bohrplattformen vor der norwegischen Küste, zu denen man sich auch noch die vor Schottland liegenden hinzu denken muss.

           

Auf dem Weg zum Hubschrauber       

Verankerung der Bohrplattform im Meeresboden

Interessant ist die Verankerung der Plattformen im Meeresboden mit Stahltrossen. Die vier großen Schwimmer berühren ja längst nicht den Meeresboden. Sie sind übrigens so groß, daß man mit einem Fahrstuhl oder über Treppen in sie hinunter gelangen kann und so eine Tiefe von etwa 20 m unter dem Meeresspiegel erreicht. Die Plattform bewegt sich nicht wie ein Schiff auf und ab, sondern nur waagerecht, wie ein Hund, der ausreißen will und dann mit der Leine (also hier mit den Stahltrossen) zurückgehalten wird. Nun habe ich in meinem Leben mehrmals eine Seereise unternommen und dabei,  besonders auf dem Atlantik, auch schwere rollende See erlebt. Das kenne ich. Aber dieses ungezogene Hin und Her der Plattform mit ruckartigem Zurückholen behagt mir weniger.

Mit zunehmender Dämmerung kommt ein beängstigend dichter Nebel auf und es werden schon Anstalten getroffen, uns in dem mehrstöckigen „Gebäude“ irgendwo für die Nacht unterzubringen. Mit zunehmendem Nebel benimmt sich auch das Meer ungezogener und ich gehe nach draußen, um mir das Schauspiel der hoch schießenden Brecher anzusehen. Hier an der frischen Luft sind die Ausreißversuche der Plattform besser zu verkraften.

Nachdem wir mit einem Imbiß versorgt wurden, hören wir das Geräusch des einschwebenden Hubschraubers, der die klein bemessene Landefläche dank            

moderner Technik „blind“ findet. Wir sind dann bald in der Luft und werden nach der Landung auf dem Helikopterflughafen in Bergen brav mit unserem Gepäck in die wartende DC 9 und mit dieser umgehend nach Oslo befördert, wo wir in der Nähe des Flughafens übernachten. Das war ein Tag!

Die Saat der 68er? Ich weiß es nicht. Und wenn schon!

An diesem Abend stelle ich bei unserem kurzen Beisammensein in der Bar des Hotels fest, dass bei den ostdeutschen Hochschulprofessoren einige sind, die erst nach der Wende von Westdeutschland aus nach den neuen Bundesländern hinüberwechselten. Diese zeichnen sich im Vergleich zu ihren ostdeutschen Kollegen durch eine besonders destruktive Einstellung zu unserem Staat, der Europäischen Union und vor allem gegenüber den Wertvorstellungen des Abendlandes aus. Dabei erwähnen sie voller Stolz, zu den sogenannten 68ern zu gehören. Sicherlich kann ich ihnen beipflichten, dass es 1968 an der Zeit war, einen gewissen Mief aus den Köpfen der Etablierten zu vertreiben. Aber wie so oft in der Menschheitsgeschichte, wird mit dem Überholten auch das Bewährte aus dem Ackerboden unserer Kulturlandschaft herausgerissen und damit auch aus den Köpfen der studentischen Jugend verscheucht. Was übrig bleibt, ist verwüstete Erde, die sich in den Folgejahren erst einmal mit niedrigem Pflanzenwuchs, wie Brennesseln und Disteln rekultivieren muss. Das ist keine Reformbewegung, die das Positive der Vergangenheit weiterentwickelt, sondern ein revolutionärer Flächenbrand. Man stellt sich total gegen die Vergangenheit, wie gegen einen persönlichen Feind, der getötet werden muss, wird also zu einem „Anti“ aus Prinzip.

 

Neugierig geworden, versuche ich, von meinen Gesprächspartnern zu erfahren, wo die geistigen Wurzeln dieser „Bewegung“ zu suchen sind. Freimütig bekennen sie, es sei die Frankfurter Schule, eine Weiterentwicklung des Neomarxismus, die Ideologie der Kritischen Sozialphilosophen Horkheimer, Adorno, Marcuse, und Habermas. Diese haben in einer (nach meiner Auffassung) bewussten Ignoranz der bahnbrechenden Weiterentwicklung der Grundlagenphysik im 20. Jahrhundert, an den überholten Vorstellungen des 19. Jahrhunderts festklebend, ihre  Theorien so entwickelt, dass sie jegliche Metaphysik verdammen. Ihre Lehren mit praktischen Nutzanwendungen führten zu einer Vernichtung fast aller bestehenden Tabus, ohne sich vorher der Mühe zu unterziehen, nach deren positiven gesellschaftlichen Funktionen zu fragen. Das führte unter anderem zu einer Abkehr von Religiosität, humanistischem Gedankengut und aktiver Erziehung. „Der Mensch darf nicht erzogen/verbogen werden. Er braucht weder Schamgefühl noch Reue, Demut, Buße, Erlösung oder Gnade Gottes.“ Das Schlimme besteht darin, daß diese, die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft auslösenden Theorien auch heute noch von den „68ern“, die mit Vorliebe in die Jugendarbeit und den Schuldienst abgetaucht sind, an unsere Heranwachsenden weitergegeben werden. Zudem haben sie die Medien erobert.

 

Ich hinterfrage diese „Kritische Theorie der Gesellschaft“ weiter. Meine Gesprächspartner erläutern, daß zumindest Adorno und Horkheimer als die eigentlichen Väter dieser Denkrichtung den Bezug auf Marx und darüber hinaus auf Hegel pflegten und zwar im Bezug auf ihre kritische Betrachtung der Gesellschaft, ihre Verbindung von theoretischem Denken und praktischem Handeln und ihre Zukunftsbezogenheit (Hoffnung und Erwartung)  mit veränderter Zielsetzung. Aber sie, meine Gesprächspartner, geben auch zu, dass die beiden genannten „Philosophen“ die revolutionäre Praxis der Anführer der Studentenrevolten der 60er Jahre nicht gutgeheißen haben. Im Grunde hatten beide, genau so wie später Marcuse, der allerdings die revolutionäre Gewalt rechtfertigt, mit ihrer Kritik  nicht ganz Unrecht, das muß ich wiederum zugeben. Aber ich glaube zutiefst, dieses „mit den Wurzeln ausreißen“ des Bewährten führt noch mehr zu den unliebsamen Erscheinungen in unserer Gesellschaft, die unsere jungen Hitzköpfe, besonders was die Rechtsradikalen anbelangt, eigentlich bekämpfen wollten.

 

Mein Versuch, auch den bis 1968 aktiven Studentenführer Rudi Dutschke ins Gespräch zu bringen, scheitert. Dabei würde mich gerade ihre Meinung zu diesem Mann, der ja leider an den Spätfolgen eines Attentats viel zu früh starb, interessieren. Dutschke kam meines Wissens aus der evangelischen Studentenbewegung der DDR, sah vergleichbare Voraussetzungen für einen gemeinsamen Kampf, ob aus christlichen oder sozialistischen Wurzeln hervorgehend, zur Überwindung der ungerechten Verteilung von Wohlstand und bitterer Armut in der Welt und war sich sehr wohl der Gefahr bewusst, dass überzeugte Minderheiten gegen „reaktionäre“ Mehrheiten Gewalt ausüben könnten. Letzteres hielt er meines Wissens in Europa (im Gegensatz zu z.B. Südamerika) für nicht erforderlich. Aber wie gesagt, zu diesem Thema herrscht Desinteresse.

 

Die Zeit vor 1968      Was meine Gesprächspartner allerdings interessiert, ist die Beantwortung der Frage, ob es in der Zeit vor 1968 so etwas wie  weltweit bekannte Hoffnungsträger einer ganzen Generation gegeben habe. Ich versuche, statt einer Ja- nein- Beantwortung, diese Zeit an einigen Personen festzumachen. Es ist die Zeit Chrustchows, Kennedys und des Papstes Johannes XXIII. Chrustchow beendet die Stalinära, nach John F. Kennedys Ermordung führt sein Bruder Bob als Justizminister der USA einen Feldzug gegen die Einmischung der USA in Vietnam und gegen die Rassendiskriminierung und Jaqueline Kennedy, John F. Kennedys Witwe, besucht spontan die Familie des ermordeten schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King in den USA, der neue volksnahe Papst eröffnet das II. Vatikanische Konzil (Öffnung eines Fensters zur Neuzeit) und empfängt den Chefredakteur der sowjetischen Zeitung Iswestija, es ist Chrustchows Schwiegersohn,  zum Dialog. Dann wird Chrustchow abgesetzt, Bob Kennedy wie vorher sein Bruder ermordet und Papst Johannes XXIII. stirbt. Der amerikanische Geheimdienst sorgt dafür, dass der südvietnamesische Präsident Ngo Dinh Diem entmachtet und umgehend ermordet wird. Am nächsten Tag heißt es lapidar: „Der bereits eingestellte Kampf gegen Nordvietnam wurde wieder aufgenommen.“ Da wusste ich Bescheid! Wenn in einem Reiseprospekt steht: „Das Hotel wird erweitert“ , so weiß ich, dass ich während meines Urlaub störenden Baulärm zu erwarten habe. Man nennt das „verschlüsselte Mitteilungen“. Offiziell wird er beschuldigt, er habe, auf die katholische Minderheit im Lande gestützt, eine Diktatur errichtet. Er ist tot und kann sich nicht mehr wehren. Das ist alles, was ich zu der mir gestellten Frage sagen kann, ohne jede Bewertung und ohne Vergleich zu den nachfolgenden Ereignissen.

 

Ich glaube, so füge ich allerdings hinzu, es würde sich lohnen, die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes einmal unter die Lupe zu nehmen. Irgend jemand hat seinerzeit einige buddhistische Mönche so unter Drogen gesetzt, dass sie sich mit glänzenden Augen zur Selbstverbrennung auf die Marktplätze Südvietnams begaben, um diese „Diktatur“ anzuklagen.

 



Ein Gespräch in Mexiko        

Da ich keinen großen Drang verspüre, meinen ostdeutschen Zuhörern gegenüber das manchmal schwer zu verstehende Verhalten unserer heutigen Verbündeten jenseits des Atlantik ausschließlich positiv darzustellen, erzähle ich ihnen von einem Gespräch, das ich vor Jahren in Mexiko mit einem echten Mexikaner hatte. Echte Mexikaner sind jene mit einer angeborenen Skepsis gegenüber ihren nördlichen Nachbarn. Dieser echte Mexikaner sagt im Rahmen einer Unterhaltung über die Bedeutung der Kulturgrenze zwischen Mexiko und den USA: „Wissen Sie, warum die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg die beiden  Atombomben über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki abgeworfen haben?“ Ich antwortete: „Nein. Es könnten genau so gut Tokio und Jokohama ausgewählt worden sein.“ „Nein, das stimmt nicht! Hiroshima und Nagasaki waren die beiden Städte mit dem höchsten Katholikenanteil in Japan, also mit blühenden Christengemeinden. Und die Missionierung ging seinerzeit  von Mexiko aus.“ Ich glaubte dieser Begründung keinesfalls, fand sie sogar hanebüchen, war aber nicht wenig überrascht hinsichtlich der in Mexiko sicherlich nicht unüblichen Beurteilung amerikanischer Strategien und Politik. Dann sagte er noch: „Jeder Indianer fühlte sich während der Siedlungspolitik Amerikas in Sicherheit, wenn er die Grenze von Nordamerika nach Mexiko überschritten hatte. Wissen Sie, viele Nordamerikaner praktizieren immer noch eine vom Ku-Klux-Klan beeinflußte Politik. Sie wissen doch sicher, dass dieser Geheimbund, der auch heute noch einflußreiche Persönlichkeiten zu seinen  Mitgliedern zählt, sich vornehmlich gegen Latinos (dazu zählen wir),  Katholiken und Neger richtet." „Gut, das ist mir bekannt. Gehören nicht auch die Juden zu ihren Feinden? Aber die Auswahl von Hiroshima und Nagasaki als Ziele für die beiden Atombombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg scheint mir doch eher von der Wetterlage bestimmt worden zu sein.“ Er läßt nicht locker: „Und die Ermordung von John F. und  Bob Kennedy? Sie wissen doch sicher, welcher Konfession die beiden Kennedys angehörten? Ja, Sie unterschätzen den Einfluß der K.K.K.- Leute! Sie besitzen, unabhängig vom jeweils amtierenden Präsidenten der USA, ihre von Wirtschaftsinteressen und der amerikanischer Mafia diktierten Machtstrukturen. Da werden die Völker Mittel- und Südamerikas mit Hilfe von Diktatoren und paramilitärischen Todesschwadronen ausgebeutet, ganze Urwaldregionen wegen ein paar Hartholzbäumen ohne Rücksicht auf das Weltklima und die Waldindios vernichtet, um nur einige Beispiele zu nennen.“ Zu diesem mexikanischen Gespräch (ich war mit meinem Gesprächspartner durchaus nicht immer einer Meinung) gebe ich keinen Kommentar, weise aber auf das wohltuende und freundliche Verhalten der amerikanischen Bevölkerung hin, das ich bei einer „Great American Crossing“ vom Atlantik bis zum Pazifik erleben durfte.

Ich gebe zu bedenken, dass die geschilderte rückläufige Entwicklung und die Fortsetzung des grausamen Krieges in Vietnam   wesentliche Gründe für die gewaltsamen Demonstrationen bei uns, und nicht nur bei uns, gewesen sind. „Eine solche Enttäuschung einer ganzen Generation verträgt die Jugend nicht“. Aber, so erklärt sich ein wenig auch der antiamerikanische Charakter der Demonstrationen in Deutschland mit den Hohoho Chi Minh- Rufen und den bekannten Ausschreitungen. Bei einem Besuch des ÖTV- Schulungszentrums in Berlin-Wannsee war ich erschüttert wegen des Antiamerikanismus, der mich von den Wänden und aufgestellten Plakatwänden anglotzte. Berlin ist doch in mancher Beziehung nicht gleich Westdeutschland! Ein Gewerkschaftskollege aus dem Saarland sagte nur: „Was treiben die denn hier in Berlin?“

  

Nochmals zurück zur Abkehr von allen religiösen Bindungen:

Selbsterkenntnis und Nachdenklichkeit           

Da ich mich persönlich durch Selbsterkenntnis, also nicht erst durch einen Beichtspiegel, als sündigen Menschen erkenne, brauche ich meine Konfession so dringend wie die Luft zum Atmen. Sie macht mich durch eine Bindung zumindest berechenbar. Wenn ich Bindung durch Unfreiheit ersetze, komme ich zu folgender Feststellung:

 

        

         Ist der Mensch berechenbar, dann ist er nicht ganz frei.

         Ist der Mensch frei, dann wird er Erhabenes oder Abscheuliches

         vollbringen.



Da ich persönlich bei einer absoluten Freiheit Gefahr laufe, Abscheuliches zu tun (ich werde mich ja wohl kennen), muss ich eine gewisse konfessionelle Unfreiheit in Kauf nehmen. Ich glaube ja nicht um des Glaubens willen, sondern, um für meine Seele Ruhe zu finden. Aber das sind andere Welten, als die der Konstrukteure von Quasi-Fakten der sogenannten Frankfurter Schule. Ich bin kein Gutmensch durch Geburt, sondern, sagen wir es deutlich, einer der Flegel, die man frühzeitig einfangen und dressieren muss. Auf meine Bemerkung hin, ich würde sie (die Gesprächspartner) bezüglich ihrer großartigen Veranlagung, in der totalen Freiheit nur Erhabenes zu schaffen, beneiden, wurden sie dann doch nachdenklich.

Die 68er wurden im Westen mobil, als man in der Sowjetunion begann, sich mit den Schriften des Jesuitenpaters und Grundlagenwissenschaftlers Pierre Teilhard de Chardin auseinander zu setzen. Sein Lebenswerk  Le Phénomène humain, im Deutschen unter dem Titel Der Mensch im Kosmos erschienen, ist in der Sowjetunion übersetzt und in Tausenden Exemplaren veröffentlicht worden und es interessiert den marxistisch geprägten sowjetischen Leser besonders wegen der Bemühungen Chardins, weniger nach der Quelle der Evolution zu suchen (einer Quelle, die dereinst ohnehin erlöschen wird), sondern nach dem Ziel, also nach dem Sinn der Welt. Hier wird dem sowjetischen Leser verdeutlicht, daß Fortschrittsgläubigkeit, Einheit des Kosmos, Sorge um den Menschen usw., die für ihn faszinierende Inhalte des Kommunismus sind, in Wahrheit im Christentum ihren Ursprung haben.

Unser Gespräch zeigt: Man kann zum Denken anregen ohne Recht haben zu wollen. Und auch ich habe einiges hinzugelernt. Vielleicht haben wir doch einiges  voneinander gelernt.

 

Hoffentlich falle ich keinem mit diesem Thema auf den Wecker!



Ich konnte mich in diesen Tagen davon überzeugen, dass das Meer die heutigen „technischen Eroberungen“ nicht mehr aufzuhalten vermag. Im Vorstehenden habe ich nur von der Erdgasförderung gesprochen. Aber, wie bei allen Erschließungsbohrungen in der Nordsee, so wird auch auf Snorre Erdgas und Erdöl gefördert. Und irgendwann wird die weitere Nutzung des Meeresbodens, wie der Abbau der dort lagernden Erzvorkommen (Manganknollen, kupfer- und zinkhaltige Erzschlämme, Metallsulfide etc.), wirtschaftlich interessant werden. Man sichert sich ja heute schon die Abbaurechte, indem man um den Besitz von ansonsten total uninteressanten, öden, gottverlassenen Eilanden, wie den Falklandinseln, Krieg führt. Um derartige Streitigkeiten für die Zukunft auszuschließen, wurden in einer im Jahre 1994 in Kraft getretenen Seerechtskonvention  der Meeresboden und seine Ressourcen als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ deklariert und alle Tätigkeiten zur Erforschung und Ausbeutung dieser Ressourcen geregelt. Warten wir’s ab!

 

Was bleibt?          

Ich bin jetzt wieder im Alltag mittendrin, entweder zu Hause in Köln oder in Potsdam. Wenn ich  an den Besuch der Bohrinsel in der Nordsee und die Gespräche mit den gelehrten Herren Professoren zurückdenke, schießt es mir plötzlich durch den Kopf, dass derartige Gespräche während meiner versorgungstechnischen Beratungen in Leipzig, Schwerin und Potsdam und meiner Technischen Geschäftsführung in Dresden nicht einmal im Ansatz zustande gekommen waren. Wir beschränkten uns auf unsere konkreten Aufgaben. Und die waren reichhaltig genug!  Dabei schleicht sich jetzt die Vermutung in mein Spatzengehirn, es seien primär gar nicht die politischen Revolutionen, die zu einer laufenden Verbesserung für die Menschen führten und führen werden. Nein, es waren und sind die revolutionierenden wunderbaren technischen Erfindungen, vielfach das Ergebnis schlafloser Nächte Einzelner, die dann, wenn sie nutzbar gemacht werden können, von der Politik und von Berufsrevolutionären als das Eigentum Aller gefordert werden. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Der mit Talenten gesegnete Mensch hat eben für die anderen mitzudenken!  

 

Friesengeist         

Im Südwesten von Ostfriesland, zwischen der Leybucht und dem Dollart, liegt das See-Marschengebiet Krummhörn. Hier „klettern“ die über dem oder im Meeresboden verlegten Erdgaspipelines aus der Nordsee an Land und münden in der größten Erdgas- Aufbereitungsanlage der Welt. Wir, einige Mitarbeiter der Verbundnetz Gas AG und der Energieversorgung Potsdam GmbH, besichtigten diese Anlage und den in ihrer Nähe liegenden romantischen Fischereihafen Greetsiel, am 21. September 1995. Leider hatte der beim Mittagessen in Greetsiel zu Gemüte geführte hochprozentige Friesengeist unsere Beobachtungsfähigkeit so sehr eingeschränkt, dass der zweite Teil der Ortsbesichtigung durch Wein- und Bierproben ersetzt werden musste. Es wurde ein gesprächiger Nachmittag.

 

So etwas Unangenehmes kann auch nur uns ungeübten Binnenländlern  zustoßen!