Beratung bei der Energieversorgung Potsdam

Bild oben: Brandenburger Tor in Potsdam

Potsdam im Schnee, Ende März 1995

 

Miserables Spätwinterwetter     

Ab Mitte März verschiebe ich immer wieder das Wechseln der Winter- gegen Sommerreifen. Ich will nicht behaupten, es sei wegen Arbeitsüberlastung, nein, es ist auch pure Nachlässigkeit. Heute, es ist der 28. März 1995, fahre ich mit meinem PKW über Schwerin nach Potsdam, um einen Teil meiner Beratungsunterlagen von den Stadtwerken Schwerin nach der Energieversorgung Potsdam zu überführen. Die Beratung soll dann in beiden Orten parallel verlaufen. In Schwerin will ich gegen Mittag Gespräche mit den Abteilungen Organisation und Betrieb führen (deshalb habe ich mich schon früh auf die Socken gemacht) und in Potsdam am frühen Abend mit Herrn Seyer von der VNG zusammentreffen. Gemeinsam wollen wir am nächsten Tag die Beratungsleistungen mit Herren der EVP besprechen. Für die Fahrt von Köln nach Schwerin wähle ich die Autobahn A 1 über Münster und Bremen bis Hamburg und ab dort die A 24 nach Schwerin. Abgesehen von dem dumpfen, von den weichen Winterreifen erzeugten Fahrbahngeräusch auf der trockenen Autobahn, verläuft die Fahrt bis Bremen recht ruhig und zügig, Dann setzt plötzlich Schneefall ein, der sich, nachdem er mit einzelnen dünnen flatterigen Flöckchen begonnen hat, schnell zu einem dichten, ergiebigen Schneetreiben steigert und die Fahrbahn in eine gefährliche glatte Fläche verwandelt. Ich beglückwünsche mich zu meinen Winterreifen und glaube, trotz Schneefall bald in Hamburg zu sein. Dann höre ich über mein Autoradio den Straßenzustands- und Verkehrsbericht mit haarsträubenden Angaben über die vor mir liegende Teilstrecke der Autobahn. Es wird von zahlreichen quer stehenden Lkws und total stehendem Verkehr auf großer Länge berichtet. Umleitungsempfehlungen werden wegen Schneeverwehungen auf den parallel verlaufenden Landstraßen nicht gegeben. Nach mehreren Stunden habe ich mich bis Hamburg vorzentimetert und treffe dort auf einen etwas besseren Straßenzustand. Kurz vor Schwerin geht die Schneelandschaft in ein schneefreies Gebiet über und bei den Stadtwerken Schwerin angekommen, schaut man mich wegen der Verspätung leicht vorwurfsvoll an und will mir meine winterlichen Schilderungen nicht abkaufen.

Sonderbarerweise gerate ich auf meiner Weiterfahrt in Richtung Berlin kurz hinter Schwerin erneut in eine Winterlandschaft mit glatten Straßen. Schwerin war also eine grüne Insel, wenn man so will, um mich bei den dortigen Kollegen in Verlegenheit zu bringen. Cést la vie!

Herr Seyer ist heilfroh, dass ich zu später Stunde doch noch eintreffe. Da er die Verkehrsmeldungen verfolgt hatte und in Potsdam mittlerweile auch starkes Schneetreiben herrscht, schaut er mich alles andere als vorwurfsvoll an. Er hatte nicht mehr mit meiner Ankunft an diesem Abend gerechnet. Dann trinken wir zum Abendessen zur Beruhigung eine Flasche Rotwein zusammen.

Aktionismus statt moderner Organisation          

Die Energieversorgung Potsdam GmbH, kurz EVP genannt, ist ein Unternehmen für die Gas-, Fernwärme- und Stromversorgung der schönen Stadt am Rande Berlins. Wir treffen mit den Leitern der Abteilungen Organisation und Kaufmännische Angelegenheiten, sowie dem Assistenten des alleinigen Geschäftsführers zusammen. Ich schlage, nachdem wir uns über die Grundzüge der Beratung einig geworden sind, mein Domizil in einem kellerähnlichen Raum des Bürocontainers in der Französischen Straße auf. Um mich herum sitzen die mit dem Stabilisieren von Computerprogrammen beschäftigten in- und externen Bearbeiter. Herr Wolfgang Müller, Abteilungsleiter für Organisation und Datenverarbeitung ist ihr Chef und auf Anhieb mein Freund und die Kontaktperson zwischen der EVP und mir. Der Geschäftsführer ist so sehr in allen technischen  Details der Versorgungstechnik zu Hause,  dass er glauben darf, das Unternehmen als Fürst im eigenen Fürstentum führen zu können. Das klappt ja auch zurzeit, ist aber für die weitere Zukunft nach seiner Pensionierung ungeeignet. Ich versuche in der nächsten Zeit, ihn von der Notwendigkeit einer modernen Organisation für die Zeit „danach“ zu überzeugen. Mein Ratschlag lautet, er möge frühzeitig die nach seinem Abgang in den Ruhestand zwingend notwendige Organisation aufbauen. Dieser Ratschlag wird von mir und Herrn Müller mit umfangreichen Unterlagen über die Ablauforganisation untermauert, in der die Unternehmensplanung statt der Einmannführung einen hohen Stellenwert hat. Sein Assistent, ein Mister Y aus Amerika, liebt den derzeitigen Zustand, der ihm die Möglichkeit lässt, die Mängel der jetzigen Organisation durch einen Aktionismus auszugleichen, den er aus seiner vorherigen Pressearbeit mitgebracht hat. Ursprünglich war er bei der Amerikanischen Armee in Westberlin, ließ sich aber bei Ablauf seiner Militärzeit im mittlerweile ungeteilten Berlin entlassen. Vom genannten Vorbehalt abgesehen, begreift er am schnellsten die Vorzüge der vorgeschlagenen Organisationsänderung. Abends treffe ich im Hotel einen dänischen freien Mitarbeiter der Verbundnetz Gas AG. Dieser „Wikinger“ berichtet mir von seinen Versuchen, die EVP zu einer modernen kaufmännischen Organisationsform zu bewegen. „Man will sich nicht beraten lassen“, ist seine lakonische Feststellung. Und: „Ich gehe nicht mehr hin“. Leiter der Organisationseinheit Kaufmännische Angelegenheiten ist Herr X, der in der Folge zum Kaufmännischen Geschäftsführer ernannt wird. Er ist für sinnvolle organisatorische Veränderungen zugänglich und so macht meine Beratung, die ich auf die Abteilungsleiterebene verlagere, doch noch Sinn.

In der Zeit vom 02. Bis 09. April bin ich mit meiner Frau, der ältesten Tochter und deren zwei Töchtern, also meinen Enkelinnen, in Sellin auf der Insel Rügen. Auf der Hinfahrt kommen wir bei Herrn Seyer, VNG, in seinem Heimatdorf Bartenshagen bei Bad Doberan in Mecklenburg vorbei. Wir erkunden die Insel Rügen, einschließlich der Kreidefelsen in der Stubbenkammer (Königsstuhl) und machen einen Abstecher zur Insel Usedom, wobei wir auch Swinemünde in Polen besuchen.

Nauener Tor in Potsdam. Wie man sieht: Einfach geradeaus in eine Sackgasse hinein.Dieses System findet später Anwendung bei Planung und Bau des Großflughafens BER, Berlin Brandenburg.

Potsdamer Intermezzo, Dezember 1996

 

Es gibt Situationen, die einem auf einfache Weise klarmachen, ob es Sinn macht, zu bleiben oder klüger ist, zu gehen.

 

Für den 17.09.1996 hatte ich ein Gespräch mit dem designierten Technischen Geschäftsführer der Energieversorgung Potsdam EVP vereinbart. Es ging mir darum, Ideen und Strategien des neuen Chefs im persönlichen Gespräch zu erfahren. Gegen 11.30 Uhr wollte er bei mir vorbeikommen. Um 12 Uhr werde ich zu dem noch im Amt befindlichen bisherigen Geschäftsführer gebeten. Bei ihm sitzt der neue. Der alte jedoch übernimmt die Gesprächsführung, indem er mich fragt, warum ich seinen Nachfolger sprechen wolle. Ich versuche diese vom Neuen heraufbeschworene  missliche Situation so gut wie eben möglich zu meistern, indem ich glaubwürdig versichere, ich möchte seinen Nachfolger nur kurz kennenlernen, um herauszufinden, ob und in welcher Form ich ihn in der Folgezeit beraten könne. Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln verlasse ich das Büro wieder. Der Verbundnetz Gas AG teile ich telefonisch meinen Wunsch mit, meine Beratungen generell zu beenden. Immerhin stehe ich kurz vor der Vollendung meines 69. Lebensjahres.

Am 18.09.96 teilt die Verbundnetz Gas AG, VNG, meinen Entschluß dem noch im Amt befindlichen GF mit. Die Verabschiedung durch die EVP findet am 2.Dezember 1996 statt. Wir, der alte Geschäftsführer, die Abteilungsleiter und ich, fahren mit einem VW-Bus in die in einem Waldstück liegende „Wildschweinbäckerei“ bei Caputh . Hier wird ein frisch geschlachtetes junges Wildschwein in einem im Freien stehenden Steinbackofen gegart. Dieses Verfahren und sein Ergebnis, ein wohlschmeckendes Mahl, haben sich bis nach Berlin rundgesprochen und der Wirt kann sich der vielen Interessenten kaum erwehren. Also, frühe Anmeldung ist zwingend erforderlich. Ich reise am nächsten Tag ab, lasse aber meine Beratungsunterlagen bis zum kommenden Jahr bei der EVP stehen. Wohlweislich!

Zehn Tage später werde ich in Schwerin bei der Stadtwerke Schwerin GmbH verabschiedet (siehe: Abschied von Schwerin). 

 

Preußens Gloria

Was sollte Potsdam mir bedeuten,

von meinem Auftrag abgeseh‘n?

Ich kann bei Morpheus nicht bestreiten,

dass hier noch Preußens Glorien weh’n.

 

Im alten Friedhof fand ich drinnen

den, der Verdun einst konzipiert*.                              

„Wir wollen gar kein Land gewinnen,                          

verbluten sollen’s, ungeniert“.                                     

                                                                                      

Und Hitler fand hier kluge Worte,                               

dem greisen Hindenburg zur Ehr‘.                                   

Doch damals stand schon vor der Pforte,                        

das kriegsbereite deutsche Heer.                                

 

Die SED ließ ganz „verschwinden“

die Nikolaikirch‘ frech und dreist.

Und das ist wohl von den Bausünden,

die schlimmste, weil sie gegen Geist.

 

Die Plattenbauten, wie Bauzäune,

vor der Kirch‘, vergammeln rot.

Und so hat Ulbricht doch noch seine

Visitenkarte nach dem Tod.

 

Die Rheinprovinz** hieß auch Rheinpreußen,                         

sie unterschied sich durch das „h“                                                

vom „reinen Preußen“, dem schwarzweißen,                                 

das um Berlin zu Hause war.                                                  

                                                                                                                                          

Dem Sanssouci des Philosophen,                                                  

dem schönen Parkland einverleibt,                                               

sei gewidmet von den Strophen                                                               

die letzte, die im Kopfe bleibt.                                                

                                                                                               

                                                                                                                               

 

 Nach der Rückkehr der deutschsprachigen französischen Gebiete links des Rheines zu Deutschland wurden diese auf dem Wiener Kongreß im Jahre 1815 dem preußischen Staat zugeschlagen. Die Rheinländer waren hierüber nicht sehr glücklich. Man sprach deshalb auch von Musspreußen“. Schwarz-weiß waren die Farben der preußischen Fahne.

 

Gisela vor der Potsdamer Nikolaikirche

Als (fast) Siebzigjähriger in Potsdam, April bis Dezember 1997

 

Wo strömendes Wasser mit Felsgestein zusammentrifft, behält stets das Wasser die Oberhand, - nicht durch Kraft, sondern durch Beharrlichkeit. Aber manchmal ist das Wasser klug genug, einen Umweg zu suchen.

 

Im Vorjahr war ich bei der EVP, Energieversorgung Potsdam, vom damaligen Technischen Geschäftsführer nach Beendigung meiner Beratung verabschiedet worden, ließ jedoch meine Beratungsunterlagen vorerst dort zurück.

Heute, am 17. April 1997, mache ich mich nach Voranmeldung mit meinem PKW frühmorgens auf den Weg von Köln nach Potsdam, um meine Akten abzuholen und nach Köln zurückzuführen. Nach einer ermüdenden Fahrt durch die nicht enden wollende Autobahnbaustelle zwischen Kamener Kreuz und Berlin, vor allem ab Hannover, treffe ich nach Mittag verspätet bei der EVP in Potsdam ein. Der neue Technische Geschäftsführer der EVP, der mich bereits erwartet und auf dem Parkplatz abfängt, bittet mich umgehend zum Gespräch. Wir stellen übereinstimmende Ansichten über die Schwächen der vorhandenen Organisation und der vorherigen Leitung (ein Fürst im Fürstentum) fest und so werde ich gebeten, meine Beratung wieder aufzunehmen. Also bleiben meine Akten vorerst hier. Er stellt noch am selben Tag einen Kontakt zwischen der ihn beratenden Berliner Firma DGM, Deutsche Gesellschaft für Mittelstandsberatung, und mir her. Noch an diesem Nachmittag werde ich von der DGM in deren Berliner Büro empfangen. Ich stelle fest, dass diese Beratungsfirma bereits im Besitz von Kopien meiner Beratungsunterlagen ist. Das juckt mich aber wenig, denn ohne meine persönlichen ergänzenden Erläuterungen sind diese Unterlagen nur die Hälfte wert. Ich sage mir im Stillen: „Wenn ich mich jetzt ärgern wollte, hätte ich einen Grund dazu. Aber Ärger geht an die Substanz des Nervenkostüms. Also habe ich keine Lust mich zu ärgern“. Gegen die DGM hege ich ja auch keinen Ärger und so verhalte ich mich von Anfang an ihr gegenüber kooperativ. Mit der Verbundnetz Gas AG, die sich auf Bitten des neuen Geschäftsführers mit meiner weiteren Tätigkeit in Potsdam einverstanden erklärt, vereinbare ich meinerseits eine bis Jahresende befristete Beratung bei der EVP. Bei dieser Tätigkeit bin ich mehr in direktem Kontakt zur DGM als zur EVP.

Die Energieversorgung Potsdam bildet das Schlußlicht meiner Beratertätigkeit, die hier mit der Vollendung meines 70. Lebensjahres endet. Jetzt ist aber auch endgültig Schluss. Ich lege mir einen Computer zu und beginne mit dem Niederschreiben meiner Lebenserinnerungen, bespickt mit passenden und unpassenden Bemerkungen.

Schlusswort

Mit Wolfgang Müller (rechts) auf einer Bootstour ab Potsdam

Mein Schlusswort gilt meinem Potsdamer Freund Wolfgang Müller, der mich vorbildlich unterstützte und dessen Können und Einsatz eine angemessene Würdigung verdient.

Und dann vollende ich das 70. Lebensjahr

Am 05.11.1997 wurde ich 70 Jahre alt.

Hoffnung: Später Ruhestand verzögert Demenz