Kinderarbeit

Wenn ich heute das Dorf meiner Kindheit besuche, vermisse ich fast alles, was damals unser Dorfleben ausmachte.

 



Dengeln der Sense

Dengelmusik      

Es ist Freitag, ein Werktag während der Sommerferien. Schon in der Frühe werde ich vom Dengeln einer Sense geweckt, schlafe aber bald wieder ein. Es ist mehr ein unruhiger Halbschlaf, aus dem ich immer wieder aufschrecke. Jetzt höre ich, etwas entfernter, ein weiteres Dengeln, dann ein drittes und nach und nach ist das ganze Dorf von der metallischen Dengelmusik erfüllt. Dengeln nennt man das Schärfen der Sense, indem der Sensenrand mit der Finne eines Hammers durch Klopfen (Dengeln) nach außen getrieben und somit die Schneide hauchdünn und scharf wird.  In dieser frühen Morgenstunde werden jetzt überall in den Ställen der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe die Kühe gemolken. Das Vieh ist jetzt, wo die Heumahd ansteht, nicht draußen auf den Weiden, sondern in den an den Wohnhäusern angebauten Kuhställen. Bei meinem Vaterhaus bilden Wohnhaus, Ställe, Heustall, Getreidestall und großes Schiebetor mit Überbauung (Schlafräume) ein geschlossenes Viereck mit innenliegendem Hof.  Gleich werden die mit frischer Milch gefüllten und mit Nummern gekennzeichneten schweren Kannen vor der Tür an den Straßenrand gestellt und von einem traktorgezogenen „Milchwagen“ abgeholt, der sie zur nächsten Entrahmstation oder direkt zur Molkerei fahren wird. Melken bedeutet frühes Aufstehen und so habe ich mich, mit Erfolg, bei den Melkversuchen so dumm angestellt, dass ich aus der Kandidatenliste gestrichen wurde. Diese Arbeit verrichtet jetzt die unverheiratete,                  



im Elternhaus gebliebene Schwester meines Vaters.

Aber jetzt heißt es aufstehen, denn unten (die Schlafzimmer befinden sich alle oben auf dem ersten Stock, „Owwenopp“ genannt) in der Küche höre ich jetzt das Mahlgeräusch der von Hand bedienten Kaffeemühle. Das bedeutet Frühstück: Im eigenen Schamottesteinofen gebackenes Brot mit Butter und Wurst aus der Hausschlachtung, dazu den Eifeler Fladem (Hefeteigkuchen mit Streusel, Griesmehl, Obst oder Zucker bedeckt). Hin und wieder gibt es noch Frühstückseier oder Rührei mit reichlich Speck in der Pfanne. Dieses fette Speck von den hochgezüchteten Vier- Zentner- Schweinen bekommt mir gar nicht und verdirbt mir gründlich den Appetit.

Heuernte    

Das Frühstück wird mehr verschlungen als verspeist, denn gleich geht’s hinaus mit der Sense auf die steilen Hangwiesen, die jetzt noch im Schatten liegen. Und das Gras muß taufeucht gemäht werden, dann schneidet die Sense besser. Hin und wieder wird die Schneide der Sense mit einem Schleifstein nachgeschliffen. Diesen trägt man in einem halb mit Wasser gefüllten, am Gurt der Hose befestigten Kuhhorn, dem „Schlotterfaß“, mit sich herum. Nach etwa zwei Stunden liegt das gemähte Gras in langen parallelen Reihen auf der Wiese und verströmt einen Duft von natürlicher Frische. Mittlerweile verdunsten die letzten Tautropfen der Nacht in der Wärme der Sonne, die über die Kammlinie der Berge hinweg geklettert ist und jetzt, hoch am Himmel stehend, ein Flimmern in der Luft erzeugt.

 

Nun nehmen wir die leichten Heugabeln zur Hand und verteilen das gemähte Gras gleichmäßig zum Trocknen auf der „kahlgeschorenen“ Wiese, auch zedde oder sprede genannt. „Sprede“ kommt vermutlich vom englischen „spread“= ausbreiten, Heu ausbreiten. Dies ist für mich nicht verwunderlich, habe ich doch die Sprachverwandtschaft zwischen Eifeler Dialekt und dem Englischen auch bei anderen Begriffen festgestellt. Immerhin stammen wir mütterlicherseits von den Kelten ab.  Dann gehen wir zu einer anderen, bereits gestern gemähten, auf einem Hochplateau liegenden Wiese und wenden das fast zu Heu getrocknete Gras mit Holzrechen, die Opa während der Wintermonate zusammen mit neuen Körben gebastelt hat. So kann nun auch die noch grüne Seite der Mahd zu Heu trocknen. Jetzt schlägt die Kirchturmuhr zu Mittag und wir gehen von den weit oberhalb des Ortes liegenden Wiesen nach Hause. Als wir auf einer Anhöhe stehen und auf unser Dorf unten im Tal blicken können, sagt mein Vater halb scherzhaft: „Bleib` doch hier einen Moment stehen und schaue um dich. Dann kannst du erkennen, wie bucklig die Welt ist.“

Brot und Fladem aus dem Steinbackofen       

Aus den Schornsteinen der Bauernhäuser steigt, weiterhin schönes Hochdruckwetter verheißend, satter Rauch senkrecht in den blauen Himmel und zeigt an, dass jetzt zu Mittag das Brotbacken in vollem Gange ist. Die Steinbacköfen werden zwar von einem kleinen Innenraum aus bedient, ragen aber nach außen in den Garten hinein und geben somit der hinteren Hausfront das für die Eifelhäuser typische Aussehen reiner Zweckmäßigkeit. Unser Ohm Plück, ein alleinstehender  und von meinen Eltern in unsere Familie aufgenommener Witwer, sorgt für das An- und Beheizen des Backofens. Fürs Anheizen nimmt er trockenen Reisig und für das weitere Beheizen Lohholz. Letzteres ist geschältes dünnes Eichenholz, dessen Rinde für das Gerben von Tierhäuten zur Lederherstellung verwendet wird. Das Lohschälen ist eine übliche Arbeit vor dem Sprießen der Blätter im Frühjahr. Denn eigenen Wald hat in unserer Gegend jeder und ein Nebenverdienst im Winter (Schlagen von Bäumen) und im Frühjahr (Lohschälen)  ist neben den kargen Einkünften aus der Landwirtschaft bitter notwendig, um die meist recht große Familie zu ernähren. Diese Lohknüppel (geschälte Äste der gefällten Eichen) sind wegen des Fehlens der Rinde sehr trocken und daher bestens zum Beheizen des Backofens geeignet. Wenn sie zu Kohle geworden und nach oben rotglühend sind, werden diese Kohlestückchen mit einer langen Holzstange gewendet, damit ihre glühende Seite nach unten zu liegen kommt und den Boden des Backofens kräftig aufheizt. Dann muß der richtige Zeitpunkt für das Einschieben der mit Sauerteig vermengten, lang geformten Schwarzbrotlaibe abgepasst werden. Für das Backen des Brotes wird etwa eine Stunde angesetzt. Nach dem Schwarzbrot wird der Eifeler Fladem (Hefeteigkuchen in Tortenform mit Belag aus Zucker, Griesmehl, Streusel  oder Obst) eingeschoben. Hierfür kann die Backzeit auf 

Heuwagen mit Ochsengespann

wenige Minuten beschränkt werden.

Wir kommen, unsere Sensen, Heugabeln und Rechen auf der Schulter tragend, zu Hause an, versorgen das Vieh im Stall und anschließend uns selbst in der Wohnküche, wo wir an dem langen schweren Esstisch Platz nehmen. Die Suppe dampft und duftet schon appetitanregend in den Tellern. Dann folgt das Hauptmahl, das samt und sondern aus der eigenen Landwirtschaft stammt. Nur Salz und Zucker wurden gekauft. Besonders gut schmecken die gelbfleischigen, im steinigen Eifelboden gewachsenen Kartoffeln. Dass Kartoffeln nicht in die Küche, sondern in den Keller gehören (so eine Redensart) können wir Eifler nicht nachvollziehen. Allerdings würden wir uns auch nicht, wie mancher Städter, weißfleischige Schweinekartoffeln andrehen lassen. Schinken und Fleisch kommen aus der Räucherkammer oder  eingepökelt aus einer im Keller befindlichen, nach oben offenen, aber abgedeckten, stets kühlen Betonkammer

Sicherndes Reh am Waldrand

Im Tal der oberen Erft haben wir zwölf kleine Wiesenparzellen, die zusammen nur eine einzige Fuhre Heu ergeben. Während die beiden Ochsen an den Heuwagen angespannt werden, laufe ich mit meiner Tante schon voraus, um das ausreichend getrocknete Heu auf Bahnen zusammenzukämmen. Dann rumpelt der Wagen heran und muss, teilbeladen von Wiese zu Wiese fahrend,  mehrmals die Erft durchqueren, wobei wir mit den Heugabeln die noch nicht gesicherte Ladung von der Seite gegen Umkippen stützen müssen. Das gelingt nicht immer. So kommt es schon mal vor, dass die Ochsen just in dem gefährlichsten Teilstück der Furt nicht durchziehen, sondern stehen bleiben und ihren Durst löschen. In dem Moment braucht man viel Tierliebe!

Nun ist ja nicht jedes Missgeschick zum Lachen, aber manchmal kann man ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. So schaue ich eines Mittags aus dem Fenster und sehe eine betagte Nachbarin eiligen Schrittes, mit dem Schrubber auf der Schulter, zum Dorfausgang eilen. Dann höre ich eine männliche Stimme: „Wo willst du denn mit dem Schrubber hin, Marieche?“ – „Ooch, ich hann mich verjreffe. Nee, nee, ich wollt doch mit demm Reiche  en et  Heu loofe. In dä Ihl hann ich statt dä Reiche dä blöde Schrubber jejreffe. Und dabei senn ich su in Zittnuet!“ Sagt’s und eilt wieder nach Hause.

Nach dem Einfahren des Heus in den Heustall wird flugs abgeladen und wir Jungen müssen das mit der Gabel hochgereichte Heu mit unseren Hände in Empfang nehmen und mit den Füßen festtrampeln (dämmeln genannt). Das ist eine von mir wenig geliebte Tätigkeit, denn Halme und Heusamen geraten dabei unaufgefordert unters Hemd und damit auf die Haut, die sich durch dauerndes Jucken zu wehren sucht.

Aber dann geht’s zum Nachmittagskaffee (Muckefuck) in die Wohnküche, wo der frisch gebackene Fladem auf dem Tisch steht und seinen einladenden Duft verströmt. Nachdem wir uns gestärkt haben, geht’s wieder ans Werk. Mein Vater will das trockene Wetter nutzen und so wird wieder angespannt , um einen weiteren Wagen Heu einzufahren. Diesmal fahren wir auf eine große Wiese, so daß uns das mühevolle Heu- Einsammeln von Wiese zu Wiese erspart bleibt. Aber, diese Flur liegt auf dem Hochplateau und erfordert eine fast einstündige Anfahrt auf der steil ansteigenden Straße und einem anschließenden holperigen Feldweg. Wir setzen uns auf den Leiterwagen, um den Fußmarsch auszusparen und wenigstens nicht total erschöpft auf der Wiese anzukommen.

Arbeit bis zur Dämmerung     

Als wir uns mit dem hoch vollgeladenen Wagen auf den Heimweg machen, kriecht die Dämmerung bereits in die Täler, um von dort aus bergan zu steigen. Das verleitet die Rehe und Hirsche, vorsichtig vor die Waldränder zu treten und dann mit dem Äsen auf den dunkler werdenden Waldwiesen zu beginnen. Unser Fuhrwerk in einiger Entfernung stört sie nicht. Es hat sich wohl bei dem Rotwild herumgesprochen, daß die Jäger nicht mit Heuwagen anzureisen pflegen.

Wir brauchen den Wagen an diesem Abend nicht zu entladen, sind aber viel zu müde, um draußen noch mit den Kindern aus nichtbäuerlichen Familien zu spielen.

 Die sind ohnehin auch müde vom stundenlangen

Dauerspielen. Wie ich die beneide! Zudem ist für uns Kinder nach dem Abendessen Zapfenstreich: Um 20 Uhr müssen wir ins Bett! Aber genau um diese Zeit kommen die Abendnachrichten und ich bin viel zu wißbegierig, um diese verpassen zu wollen. So führe ich einen monatelangen Krieg        mit meinen Eltern, bis diese merken, daß mein Betteln nicht als faule Ausrede dem Wunsch entspringt, das Schlafengehen hinaus zu zögern; und dann geben sie endlich nach.

Das Schlafengehen bedeutet, von den Nachrichten abgesehen, für mich keine Abschreckung. Warum? 

Nun, mein Vater kannte in seinen jungen Jahren einen Nachbarsjungen,                     

der von morgens bis abends Schmöker lesend, mit ungestopften,  durchlöcherten Strümpfen auf dem Sofa lag. Das erzeugte in ihm eine Abneigung gegen jegliches Bücherlesen und darunter hatte ich als wißbegieriger Junge zu leiden. Wenn ich abends im Bett liege, habe ich stets ein Buch griffbereit unter der Bettdecke. Ist die Mutter treppab nach unten gegangen, kommt das Buch flugs zum Vorschein und für mich beginnt die schönste Tätigkeit des Tages: Das Lesen.

Die Feuchtwiese nennen wir Siefen     

Eine unserer Heuwiesen liegt in einem von Wäldern rundum eingeschlossenen sumpfigen Talkessel. Der Boden ist so feucht, daß er mit dem Ochsenfuhrwerk nur während der heißen trockenen Sommermonate erreichbar ist. Aber selbst in dieser Zeit sinkt das Fahrzeug mit den eisenbereiften Holzrädern manchmal bis zu den Achsen ein. Wir nennen derartige Feuchtwiesen „Siefen“. Schon das Mähen mit der Sense ist ein kleines Abenteuer. Einmal wegen der Gefahr des Einsinkens und zum anderen wegen der vielen Blindschleichen und Glattnattern, die plötzlich auf der Flucht vor der 

Sense vor unseren Füßen hochschnellen und sich dann „davonschlängeln“.  

Blindschleiche auf einer Feuchtewiese

Knollenarbeit

Stellt euch vor: Ein Riesenacker                 Das ist billiger als Knechte                        

mit Rübenpflänzchen reihenweise.              und die ausgezahlten Löhne.

Dazwischen wir, zwei junge Racker,            Und weil Vater sparen möchte,

hacken, harken, jammern leise.                 sorgt er für genügend Söhne.

 

Jäten die verflixten Quecken,                     Landmaschinen  gibt’s schon heute.

die die Rüben malträtieren.                        Doch Vater hält das für verrückt;

Ausgerissen, in die Hecken!                       die seien nur für faule Leute,

wo sie hoffentlich krepieren.                      die sich im Leben nie gebückt.

 

Damit wir nicht die Rüben hauen,                Kleine Rücken werden krummer,

müssen wir uns ständig bücken,                  haben dieses Leben satt.

um ganz präzise hinzuschauen.                   Um zu entrinnen diesem Kummer,

Doch das peinigt unsre Rücken.                   möchten sie vom Land zur Stadt.

 

Meterweis‘, an vielen Tagen!                       Es mag ja sein, dass man im Leben

Bei Tieren nennt man es Gequäle.             den Rücken manchmal krümmen muss.

Wir Kinder müssen es ertragen,                  Doch Verneigungen sind eben

weil es uns fürs Leben stähle.                      mit hier verglichen ein Genuss.

 

                               Doch was soll’n wir Kinder machen,

                               denen hier dies Los beschieden?

                               Erfreu’n wir uns an kleinen Sachen,

                               an Winterzeit und Abendfrieden!

Das mit dem Abendfrieden ist für uns Kinder auch so eine Sache. Kaum sind wir von der Feldarbeit heimgekehrt, werden erst noch die restlichen Schulaufgaben erledigt. Dann bleibt, nach dem Abendessen, mitunter noch etwas Zeit für ein Genießen des lauen Sommerabends. Doch auch dieses Aufatmen ist meist nur von kurzer Dauer, wie folgende nachträgliche Betrachtung zeigt:



Ein Ohrenpitscher

Beim Abladen der Getreidegarben zu Hause im Schopp (Schuppen) fallen sie massenhaft zur Erde. Dann versuchen sie im Affenzahn den gefräßigen Hühnern zu entgehen. Die kommen in jedem Fall auf ihre Kosten.

Die Getreideernte               

 

Aber jetzt beginnt die Getreideernte. Zuerst wird die Gerste geerntet, dann der Roggen, der Weizen und erst zum Schluss der Hafer. Mittlerweile sind auch unsere Verwandten aus der Stadt mit ihren etwa gleichaltrigen Kindern angereist und nun macht die Feldarbeit endlich

einmal Freude. Vater sitzt auf einer von zwei Ochsen gezogenen Mähmaschine. Die geschnittenen Getreidehalme werden von einem halb hochgeklappten Rechen bündelweise aufgefangen. Mit einem Fußhebel wird der Auffangrechen dann nach hinten gesenkt und das Getreidebündel mit einer

Stange auf den Ackerboden geschoben. Dort liegen die Bündel jetzt in regelmäßigen Abständen und müssen von uns Kindern mit mehreren zusammengedrehten Halmen zu Garben gebunden werden. Wenn die Ochsen zu einer Pinkelpause angehalten werden, stellen wir die Garben zu so genannten Kästen aufrecht zusammen. Das ist dann das typischste Bild des Hochsommers: Stoppelfelder mit langen Reihen der zu Kästen zusammengestellten Getreidegarben. Später wird man dieses Bild nicht mehr kennen. Die jüngeren Jahrgänge werden es nie gesehen haben und bei den Alten ist es in Vergessenheit geraten. Denn man wird dann auch in der Landwirtschaft im Maschinenzeitalter leben. Große Mähdrescher werden das Getreide beim Mähen „vereinnahmen“  und nach dem augenblicklich stattfindenden Dreschen in gefüllte Kornsäcke und fest gepresste Strohballen trennen. Kinderarbeit ist dann nicht mehr gefragt und außerdem gesetzlich verboten. Die NSDAP hat die Losung „Kampf dem Verderb“ herausgegeben und so müssen wir Kinder die auf den Feldern herumliegenden Getreidehalme einzeln auflesen und zu kleinen Garben zusammenfügen. Die auf den Stoppelfeldern getrockneten Garben werden mit dem Leiterwagen nach Hause gefahren und im Ohrenpitscher Getreideschuppen gespeichert. Das Einfahren des Hafers ist bei mir insofern in lebhafter Erinnerung, als beim Abladen zu Hause die „Ohrenpitscher“ zu Hunderten aus den Garben purzeln und den dankbaren Hühnern im Hof als willkommenes Zubrot dienen. Natürlich versuchen auch einige dieser behenden Tierchen unter unseren Hemden Asyl zu bekommen. Das ist zwar ungefährlich, aber eine zu kribbelige Angelegenheit. Später fährt die Dreschmaschine von Haus zu Haus und das Dreschen wird stets zu einer gemeinsamen 

Drei Generationen bei der Getreideernte

Die Getreidegarben werden

zum Trocknen zu so genannten

„Kästen“ zusammengestellt.

 



Getreidekästen, dahinter Mahlberg mit Michelsberg

Ein  Hundeleben

 

So an die fünfhundert Seelen                         Denn, am Felde angekommen,

aus unserm Dorfe sich abquälen,                  sind sie müde und benommen.

wenn mit Ochsen und mit Kühen,                  Doch statt sich dann auszuruhen,

sie vom Tale bergwärts ziehen,                     gibt es jetzt sehr viel zu tuen,

tagein, tagaus.                                               weit von zu Haus.

 

Denn das Dorf liegt tief im Tale,                   Wenn das Tagwerk sie vollbrachten,

wie in einer Baumnußschale.                         müssen’s auf dem Heimweg schmachten.

In den Hängen erst die Wälder,                     Ist dann das Vieh versorgt im Stalle,

liegen noch vor Wies und Felder.                  geh’n sie müde in die Falle.

So sieht das aus!                                            Das Licht geht aus.

 

Und man wird durchaus verstehen,              Doch das ist kein Hundeleben,

dass auf dem Wege den sie gehen,                 denn die Tierchen haben’s eben

von dem Tale zu den Äckern,                        besser als wir Dorfgesellen:

sie oft fluchen oder meckern,                        Müssen ab und zu nur bellen,

tagein, tagaus.                                               bewachen’s Haus.

 

Sollt ’nen Hund das Unglück treffen,

Schubkarr’n zu ziehen statt zu kläffen,

wird’s ihm die Idee eingeben:

„Hund, ist das ein Menschenleben!

O Graus, o Graus.“



"Schubkarrenhund"

„Armer Hund! Musst schuften wie wir Dorfkinder.“



Spätherbst der Kinder

 

Gelbe Blätter künden nun:                            Nein,- die Stube ist bereit,

Bald wird’s Winter werden.                           Wärmend uns zu schützen.

Kinderarbeit kann dann ruh’n,                     Und es schaut von Zeit zu Zeit

Himmlisch wird’s auf Erden.                         Niklaus durch die Ritzen.

 

Schnell noch etwas Holz gesägt,                   Schließet Tür und Fenster dicht,

auf dem Klotz gespalten.                               Vor den Nachtgestalten,

Dann erahn’ ich aufgeregt                            vor dem bleichen Mondgesicht.

heilige Gestalten.                                           Und den Sturmgewalten.

 

Abendhimmel färbt sich rot:                         Wasserschiffchen** singt ein Lied,

Christkind ist beim Backen.                          summet sanft beim Kochen.

Jetzt ein kalter Herbstwind droht.                 Schlaf uns in die Augen zieht.

Packt er uns im Nacken?                              Rasch ins Bett gekrochen!

 

                                   S’Nachtgebet schließt alle ein,

                                   die uns lieb und teuer:

                                   Die Verwandten groß und klein

                                   und –

                                   die Wiederkäuer. *                            

 

*) Zum Beispiel mein dressiertes Schafböckchen Fritzchen

 

 

                                                                                               

 

 

**) Auf jedem mit Holz und Briketts geheizten Küchenherd sitzt oberhalb des Rauchabzugs ein abnehmbares sogenanntes Wasserschiff, schön blank geputzt und jederzeit bereit, warmes Wasser zu spenden.

Sein stetiges anheimelndes Summen wirkt am Abend einschläfernd. Das kommt den Eltern zugute, deren Kinder müde Augen bekommen und folgsam zu Bett gehen.