Die Eifel, Aufmarschgebiet über Jahrhunderte

,Die Eifel, Durchzugsgebiet über Jahrhunderte

Was erzähle ich denn da?

Selbstkritische Betrachtung      

Nun bin ich aber so richtig ans Erzählen gekommen. Fabuliere ich da nicht zuviel? Nein, nein! Fabulieren ist nicht die Gefahr, die sich da vor mir auftut, heute, in den 70ern meines Lebens. Nein, die Bilder der damaligen Ereignisse tauchen doch nach längerem Hinschauen recht klar vor mir auf, so, als wenn ich lange genug beobachten und abwarten würde, bis sich der Morgendunst verzogen hat und einem klaren, hellen Tag mit Fernsicht Platz machen würde. Nein, da ist kein Platz für Bilder aus Märchenbüchern. Die Dinge und Ereignisse der Jugend stehen hart und zum Anfassen nah und klar im Raum. Aber ich bin in großer Versuchung, ungewollt, diese klaren Bilder der Vergangenheit mit dem gereiften Wissen unserer Kommunikationsgesellschaft und der Sprache des Erwachsenen zu beschreiben. Der historische Hintergrund und das seinerzeit von mir Erschaute würden zwar nicht verfälscht, aber meine damaligen Empfindungen und noch unreifen Gedanken kämen zu kurz. Wenn der griechische Philosoph Platon die Gedanken und Worte des verstorbenen Sokrates, der selber nie etwas schriftlich festgehalten hatte, auszudrücken versuchte, so waren es doch wohl, ungewollt, seine eigenen Gedanken, die er ihm in den Mund legte. Und die Gefahr, daß der Siebzigjährige dem Jungen von damals seine heutigen Gedanken und Empfindungen in den kleinen Kindermund legt, ist gewiß nicht kleiner, sondern weitaus größer. Also aufgepaßt!

Und so habe ich mir fast Gewalt antun müssen, die Begeisterung der frühen Jahre für gewisse Attribute des „Vaterlands“, wie die schick uniformierte neue Wehrmacht, ehrlich zuzugeben. Aber der von der NSDAP verursachte seelische Zwiespalt, wie ich ihn beschreiben werde, entspricht in meinem höchst persönlichen Falle der Wahrheit. Ich empfinde geradezu einen Zwang, dies einmal sagen zu müssen, weil die heutigen Beherrscher der Medien (vielleicht sind einige von ihnen die Söhne oder Enkel der damaligen Träger der Macht), in seltener Einmütigkeit durch ein Verschweigen unserer wirklichen damaligen Nöte Geschichtsfälschung (unbewußt?) betreiben. Und so rückt man uns, deren junge Seelen so grausam gemartert und verletzt wurden, heute in die geistige Nähe dieser Täter. Das ist unerträglich! Und so gehen die Narben von damals immer wieder auf.

Man möge mir den hier und da eingestreuten hintergründigen Humor verzeihen, der mir von meinem Blut als Rheinländer diktiert wird. Er ist ein Erbgut meiner Vorfahren. Aber ich versuche zumindest, diesen Humor so zu dosieren, daß er als solcher erkennbar bleibt. Der Leser soll um Gottes Willen nicht das Gefühl haben, einem Büttenredner ausgeliefert zu sein. In der Eifel trafen die keltischen und germanischen Siedler aufeinander. Sie vertrugen sich auf Anhieb, vermischten und vereinigten sich so gut es ging, gründeten irgendwann die christlichen Familien, wurden abwechselnd deutsch, französisch, preußisch und wieder deutsch und hielten dank ihrer Verträglichkeit, Zähigkeit und Genügsamkeit über die Jahrhunderte hinweg den zum Humor neigenden Kopf über Wasser. Wer die Eifeler Wege und Straßen der Vorkriegszeit gekannt hat, kann durchaus auf den Gedanken verfallen, die Eifeler seien wegen der Unwegsamkeit des Geländes lange Zeit, von der übrigen damals bekannten Welt abgekapselt, in Vergessenheit geraten und irgendwann als Ureinwohner wiederentdeckt worden. Aber das glaube ich weniger. Die Eifel war dank ihrer Bodenschätze einmal reich und verarmte erst durch die vielen Kriege.(Sie war stets Aufmarschgebiet und wurde hierdurch in unbeschreibliches Elend gestürzt.) Im frühen Mittelalter, zur Zeit der Franken, machten manche Eifeler Jungen weltweit Karriere. Man denke nur an Karl den Großen!

Wer dies für zu dick aufgetragen hält, der fahre einmal nach Mürlenbach an der Deutschen Wildstraße in der Eifel zwischen Gerolstein und Bitburg und besuche dort die Ruine der Bertradaburg. Hier wohnte einst die Großmutter Karls des Großen. Auf einer großen Hinweistafel war vor Jahren die Familiengeschichte des Frankenkaisers nachzulesen. Nach dem Buch „Erlebnis“ von Scheerer-Buchmeier und Merx  war Bertrada die Mutter des Frankenkaisers, die hier Karl den Großen als kleines Eifeler Karlchen zur Welt brachte. Andere behaupten, seine leibliche Mutter sei eine Wäscherin gewesen und die Großmutter Bertrada habe ihn großgezogen (auf dieser Burg). Wie dem auch sei!

So kommt man beim Erzählen vom Hundertsten ins Tausendste!

 

 



Kaiserkrönung des "Eifeler Jung" in Rom im Jahre 800

Wer dies für zu dick aufgetragen hält, der fahre einmal nach Mürlenbach an der Deutschen Wildstraße in der Eifel zwischen Gerolstein und Bitburg und besuche dort die Ruine der Bertradaburg. Hier wohnte einst die Großmutter Karls des Großen. Auf einer großen Hinweistafel war vor Jahren die Familiengeschichte des Frankenkaisers nachzulesen. Nach dem Buch „Erlebnis“ von Scheerer-Buchmeier und Merx  war Bertrada die Mutter des Frankenkaisers, die hier Karl den Großen als kleines Eifeler Karlchen zur Welt brachte. Andere behaupten, seine leibliche Mutter sei eine Wäscherin gewesen und die Großmutter Bertrada habe ihn großgezogen (auf dieser Burg). Wie dem auch sei!



So kommt man beim Erzählen vom Hundertsten ins Tausendste!



Und das ist die dritte Version, wie man sie am Eingang zur renovierten Bertradaburg zu lesen bekommt.
Das Frankenreich Karls des Großen

Die Farben bedeuten:

blau -->     Das Frankenreich 768 (Tod König Pippins)

orange --> Eroberungen Karls des Großen (768 bis 814)

gelb -->     In mehr oder weniger großer Abhängigkeit

Als ich vor einigen Jahren für mehrere Tage im spanischen Parador La Seu d'Urgell Station machte und das nur wenige Kilometer nördlich hiervon gelegene Andorra besuchte, wurde mir dieses kleine Land als  die treue Tochter Karls des Großen vorgestellt.

Diese Bezeichnung wird man eher verstehen, wenn man bedenkt, dass Karl der Große beim Vorstoß der Mauren nach Norden zur Hilfe gerufen wurde und  als Schutz die Mark Gotalonien gründete. Aus dem Namen Gotalonien, das sich später weiter nach Süden ausdehnte, entwickelte sich mit der Zeit die Bezeichnung Katalonien (Catalunya).

Die Eifeler, eine endemische Spezies? ( Humorvolles Intermezzo)       

Es bleibt nicht aus, dass sich in den von der übrigen Welt abgeschotteten Gebieten Pflanzen, Tiere und sonstige Geschöpfe heranbilden, die nur dort, auf diese Gebiete begrenzt, anzutreffen sind. Man nennt sie endemisch. Typische Beispiele sind die Beuteltiere Australiens und zahlreiche Pflanzen im Orotavatal auf der Insel Teneriffa. Ja, und mit diesen vergleichbar, gibt es als endemische Menschen die Eifeler.

Die Römer beschrieben sie als kleinwüchsiges, zähes und listiges Bergvolk. Nachdem die Rheinprovinz beim Wiener Kongreß des Jahres 1815 dem Lande Preußen zugesprochen wurde, unternahm man von Berlin aus etliche Veredelungsversuche, durch das Abkommandieren preußischer Beamter, Briefträger, Lehrer und Lehrerinnen  und durch das Anlegen eines gefürchteten riesigen Truppenübungsplatzes (Elsenborn) in dieses Bergland. Aber an anständige Verbindungswege dachten sie nicht! Vorher waren den französischen Truppen bereits einige Neuzüchtungen gelungen. Dies geschah in den meisten Fällen auf Bitten der französischen, in Zelten untergebrachten Soldaten: „Visitez ma tente, Mademoiselle!“ (Besuchen Sie mein Zelt,

Fräulein!). Daraus entstand nachweisbar die Warnung der besorgten Eifelmütter an ihre Töchter: „Kind, mach keine Visematenten!“ Aber es nützte nicht viel. Die Franzosen waren auch sonst nicht ungern gesehen.

Was Ihr hier nun zu Lesen bekommt, ist das Ergebnis dieser nicht ganz unnützen bevölkerungs-politischen Maßnahmen und Vorkommnisse in einem typischen Schwellenland.

Lesen Sie also unbekümmert weiter!  



Australische Beutelratte
Drachenbaum auf Teneriffa
Junge Eifler im 19. Jahrhundert vor ihrer Veredelung

Drei typische Spezies:

Endemische Pflanzen: Drachenbaum auf Teneriffa,

endemische Tiere: Beutelratte in Australien,

endemische Menschen: Junge Eifeler im 19. Jahrhundert, vor ihrer Veredelung



Mein Opa, gemalt

Geglückt!

Dies ist nun der echte (veredelte) Eifeler.

 

Schlitzohrig?  Nein! Aber er hat’s faustdick hinter den Ohren. Das sieht man doch! Und das hat selbst der Maler bemerkt und treffend festgehalten.

 

Humorvoll?  Ja! Aber er erzählt unglaubliche Geschichten. Wer sie glaubt, hat selber Schuld.

 

Verwandt?  Ja, er ist mein Opa väterlicherseits.

 

Zurück zur ernsthaften Betrachtung!  

 

Nachfolgend werde ich versuchen, das Problem der jahrhundertelangen Rückständigkeit meiner Heimat einer ernsthafteren Betrachtung zu unterziehen.



Also:

Die Eifel, ein Durchzugs- und Aufmarschgebiet über Jahrhunderte      

Im Vorstehenden habe ich mehrmals den Michelsberg erwähnt, der in der Michelsoktav im Herbst als Treffpunkt der Bevölkerung aus den umliegenden, zum Teil sogar weiter entfernten Ortschaften dient. Die gemeinsame Abschlußmesse in der kleinen Kapelle endet stets mit dem Michaelslied. In der zweiten Strophe heißt es:

 

Streifen rauhe Kriegerscharen

plündernd über Berg und Tal,

bringen Krankheit und Gefahren

und des Hungers bitt’re Qual,

ja, dann leiste deinen Kindern

Hilfe großer Schutzpatron.

usw.

 

Die Eifel, Preußisch-Sibirien?        

In meiner Kindheit empfand ich den Text der zweiten Strophe als zu romantisch, also wenig realitätsbezogen. Dies änderte sich später, beim Niederschreiben meiner „Geschichte“ und zwar nach dem Lesen von Recherchen, wie sie, teils als Bildbände  verkleidet, niedergeschrieben sind.

Hiernach wurde die Eifel, die vor und während der Römerzeit (die Römer bauten ein gutes Straßennetz und eine Wasserleitung nach Köln und förderten in der Eifel selbst Bergbau und Gewerbe) eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte erlebte und später, nach der Christianisierung, auch unter den Karolingern eine neue Blütezeit mit reichen Klostergründungen durchmachte, später durch die jahrhundertelangen Kriege starker Nachbarn als Hinterland und Aufmarschgebiet mißbraucht, ausgebeutet und in Not und Elend gestürzt. (Siehe hierzu die obige Landkarte „Eifelfeldzüge“.)

Und diese Karte läßt eines deutlich werden:

Kriege mit ihren Zerstörungen, Verwüstungen und Opfern unter der Zivilbevölkerung haben jeden Landstrich Europas heimgesucht, aber es gibt nicht einen zweiten, in dem dies in dieser Vielzahl und diesem unglaublich langen Zeitraum über Jahrhunderte geschah.

 

Und jetzt tauche ich, auch sprachlich, ab in die Vergangenheit.

Man bedenke: Während sich andere Gebiete, Herzogtümer und freie Städte neben Niederlagen auch ruhmreiche Siege auf ihrer Fahnen heften konnten (Beispiele: Wien wurde nach den Siegen über die Türken zum glänzenden „Schild Germaniens“, der brandenburgische Kurfürst wurde nach seinen Siegen über die übermütigen und siegestollen  Schweden der „Große“), war die Eifel über Jahrhunderte das Opferlamm, das von beiden Seiten der jeweiligen Kriegsgegner zur Verpflegung der manchmal monatelang in Bereitschaft liegenden Soldaten ausgequetscht wurde, aber nie irgendwelche Entschädigungen, wie sie den Siegern gewährt wurden, erhielt. Die Vorräte wurden aufgebraucht, das Saatgut verzehrt, die Felder kehrten zu Wildnis und Heide zurück, die Bevölkerung verhungerte oder verließ das Land für immer. Wer blieb, verkroch sich in den tiefen unübersichtlichen Wäldern. Hier mußte er damit rechnen, auf ganze Rudel hungriger Wölfe zu treffen. Heutzutage sagt man zwar, wir Menschen hätten nicht auf ihrer Speisenkarte gestanden.

Die Jülicher Fehde            

Das Drama für die Eifel begann mit der Jülicher Fehde von 1542/43. Als der von Spanien aus regierende Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, der in Gent geborene Habsburger Karl V., die reiche Eifel als Reichslehen einziehen wollte, fiel Herzog Wilhelm von Jülich mit den verbündeten Franzosen in Brabant, dem Erbland Karls, ein. Im Gegenzug vernichtete Karl V. ganze Landstriche, vor allem die Nordeifel mit den Städten Düren, Monschau sowie Burg und Stadt Nideggen.

Der Kölner Krieg      

Bereits 1583, also nur 40 Jahre später, zertrampelten die Spanier und Niederländer im sogenannten Kölner Krieg das Erft -, Urft- und Rurgebiet, vor allem die Ämter Münstereifel und Tomburg und legten die beiden letztgenannten in Schutt und Asche“. In dieser Zeit bildete mein Heimatdorf Schönau, das am Oberlauf der Erft, also im damaligen Kampfgebiet lag, mit den Nachbardörfern Langscheid und Mahlberg eine „Honschaft“ innerhalb des Amtes Münstereifel. (Niedere Landgerichte bezeichnete man als Honschaft.)

 Cherchez la femme!          

Die Frage wäre berechtigt: „Mein Gott, was war denn jetzt schon wieder los?“ Und die Franzosen würden antworten: „Cherchez la femme!“ (Suchet die Frau!). Diese typisch französische Begründung vieler sonst kaum zu erklärender Vorkommnisse der Weltgeschichte bedarf hier einer Erläuterung. Also:

Der dem schwäbischen Geschlecht der Reichserbtruchsessen von Waldburg entstammende Kölner Erzbischof Gebhard trat 1583 zum Protestantismus über, um ein Gerresheimer Stiftsfräulein namens Agnes von Mansfeld zu ehelichen. Das wäre ja durchaus menschlich verständlich und noch kein Beinbruch. Aber, um dieser Ehe ein gesichertes finanzielles Fundament zu verschaffen, plante er, das Kölner Erzstift als weltliches Fürstentum zu behalten. Als er daraufhin am 23. Mai 1583 durch Ernst von Bayern abgelöst wurde, ließ er seine Streitmacht zu den Waffen greifen. Von den stadtinternen Problemen Kölns abgesehen, uferte dieser Truchsessische oder Kölner Krieg bald aus und verwuchs durch das Eingreifen von Spanien und den Niederlanden mit dem niederländischen Freiheitskrieg. Und bei dieser Größenordnung wurde die Eifel wieder, wie oben beschrieben, als Austragungsgebiet harter Kämpfe hineingezogen.

 



Flickenteppich der politischen Zuständigkeitn

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648)        

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, also im Jahre 1618, bildete das Römische Deutsche Reich im Gebiet des heutigen West- und Mitteldeutschlands einen wahren Flickenteppich an politischen Zuständigkeiten. Kein Wunder also, dass es zu einer Anhäufung von Kämpfen, Scharmützeln und Beutezügen kommen würde, die in ihrer Anfangsphase als Religionskriege ummäntelt wurden, in Wirklichkeit aber ein gewaltiges Bündel von allzu weltlichen Wünschen, Forderungen und Bestrebungen enthielten. Und an diesen machtpolitischen Spielchen zum Schaden des einheimischen Volkes beteiligten sich zunehmend auch die weniger zersplitterten, also erstarkten außerdeutschen Mächte, quasi als Aasgeier und Schakale am ohnmächtigen , dahinsiechenden Körper des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Obwohl die Eifel in diesem langen Krieg von den Kämpfen selbst verschont wurde, und das gilt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1648, litt das Land unter den laufend durchziehenden Truppen, die Quartiere und Verpflegung von der selbst darbenden Bevölkerung forderten und vor Diebstahl, Raub  und Totschlag nicht zurückschreckten. In diesen 30 Jahren wurde die einst so wohlhabende und wirtschaftlich blühende Eifel vollends ausgeplündert. Aus den  Haufen der durchziehenden oder überwinternden (eine Überwinterung der Truppen brachte meist den völligen Ruin der betroffenen Höfe)  Landsknechte spalteten sich immer wieder kleinere Haufen und Grüppchen plündernder und mordbrennender Marodeure ab. Es ist belegt, dass zum Beispiel die Grafen von Manderscheid-Blankenheim und Gerolstein damals sechs Kompanien Soldaten anwarben, die gegen diese plündernden Haufen antreten sollten. Damit schützten sie dann ihre Burgen und Schlösser, nicht aber oder nur ungenügend  die blutenden und vom Aussterben bedrohten  Dorfgemeinden. Wie sollte das auch mit dieser kleinen „Heerschar“ bewerkstelligt werden? Aber auch die regulären Truppen fanden zunehmend Gefallen an sinnloser Zerstörung. Folgende Notiz von 1642 läßt erkennen, wie verflochten die Interessen der am Ausbeuten beteiligten Mächte waren:

„17. Januar 1642: Die französisch-weimarisch-schwedischen Truppen besetzen Münstereifel und hausen fürchterlich“. Man bedenke: Die Stadt hatte sich soeben leidlich von der 1629 ausgebrochenen Pest erholt. Und man betrachte die sonderbare Zusammensetzung der aus drei Völkern und mindestens zwei Konfessionen bestehenden „Einquartierung“!

 

Die drei Raubkriege Ludwig XIV. von Frankreich      

Kaum keimte und grünte nach den Heimsuchungen des im Jahre 1648 zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieges eine zaghafte Zukunftshoffnung, begannen im Jahre 1667 die Raubkriege des „Sonnenköngs“ Ludwig XIV. von Frankreich, die neben der Pfalz u.a. auch die Eifel fürchterlich heimsuchten. Die zwei ersten der drei Raubkriege dauerten von 1667 bis 1687. Welches Ziel verfolgten sie? Ludwig wollte zum Schaden der Niederlande die drei Rheinmündungen in seine Gewalt bringen. Da sich der Kölner Kurfürst mit ihm verbündete und sein Territorium für den Aufmarsch der Franzosen zur Verfügung stellte, wurde der Gegenschlag der Niederländer zu einem grausam geführten Rache- und Vernichtungsfeldzug, der besonders die Nord- und Hocheifel verwüstete. Die Stadt Rheinbach wurde so nachhaltig zerstört, dass von ihr nichts mehr übrig blieb (man nennt dies in der Soldatensprache „dem Erdboden gleich machen“). Pfui Teufel!

Schon 1688 begann der Sonnenkönig seinen dritten Raubkrieg, der schon bald in einen reinen Zerstörungskrieg überging und erst 1697  endete. Dieser Krieg brachte wiederum unsagbares Leid über die Eifel. Das Amt Münstereifel mußte genau festgelegte Mengen an Heu, Hafer, Brot und Fleisch an die Franzosen abliefern. Die nebenbei ohne schriftliche Anordnung requirierten Waren überstiegen die Leidensfähigkeit der Menschen. Dieser Krieg führte zu bitterster Hungersnot, Verödung der Felder und Auswanderung ( u.a. nach dem Balkan und nach Amerika) von vielen Eiflern..

Der Spanische Erbfolgekrieg         

Kaum waren die Raub- und Vernichtungskriege unter Ludwig XIV. beendet, begann im Jahre 1701 der Spanische Erbfolgekrieg, der erst nach fast 13 weiteren leidvollen Jahren 1714 endete. Die Spanische Linie des Hauses Habsburg war im Jahre 1700 mit dem Tod des kinderlosen Karl II. erloschen. Um den Anspruch auf den spanischen Thron stritten Kaiser Leopold I. für seinen Sohn Karl und Ludwig XIV. für seinen Onkel Philipp. Einerseits verbündeten sich die Kurfürsten von Bayern und Köln mit den Franzosen und ergriffen für ihren französischen Neffen, Philipp von Anjou, Partei. Andererseits versuchte sich Jülich mit niederländischen Truppen zu schützen, die zeitweise auch  von den Engländern unterstützt wurden. Diese Konstellation der Streithähne verhieß nichts gutes für die Eifel, in der sich schon zu Beginn eine Armee der mit dem Kaiser Verbündeten einquartierte. Nach den vielen Durchzügen von Truppen beider Seiten war die Eifel so „am Ende“, dass jetzt selbst die über die immer desolater gewordenen und von Schlehdornhecken, Brombeergestrüpp und Beifußgewächsen überwucherten Wege  und Pfade des Berglandes stolpernden Soldaten auf ihren Märschen zu Hunderten, wenn nicht Tausenden, Hungers starben. Am Ende des Erbfolgekrieges war die Eifel ein Wegwerfland, uninteressant und niemandem mehr nütze. Keiner wollte sie. Bei den verbliebenen Eiflern setzte, was ihr früherer Reichtum an materiellen und geistigen Gütern betraf, ein Bewußtseinsschwund ein. Der Kampf ums nackte Leben bestimmte alles Handeln und Denken. Es war die Stunde Null.



Die Eifel, leidtragend über Jahrhunderte

 

Wen interessiert, was früher war,               Das alles interessiert mich nicht,

in jenen rauhen Zeiten?                             Das sind nicht meine Fragen!

Ich lauf‘ beim Fragen die Gefahr,                Was mir Seel‘ und Herze bricht,

Geschichte falsch zu deuten.                       sind meiner Vorfahr’n Klagen.

 

Wer war da schuld und wer begann,            Am Rande Deutschlands angehängt,

wer war’s den man versohlte?                     konnt’ Eifel nicht vermeiden,

Wo lag der Grund von Anfang an,                dass sie in jeden Krieg gezwängt

dass man die Krieger holte?                        und musst‘ für andre leiden.

 

                                               Das tut mir weh, auch heute noch,

                                               heißt’s dürftig sei die Eifel.

                                               Nun hört mal zu, bedenket doch:

                                               Hier tobten Tod und Teufel!

 

 



Die Revolutionsarmee der Franzosen   

Nach dem Sieg der französischen Revolutionsarmee, die sich durch Wehrpflichtige aus dem Volk rekrutierte, über die wenig motivierte Armee der vereinigten europäischen Fürsten an der berühmten Moulin de Valmy (Mühle von Valmy) im Jahre 1792, rückte diese Volksarmee langsam aber stetig nach Osten vor. Sie erreichte 1794 Trier und bereits im selben Jahr Münstereifel.  Die Franzosen als Träger der Aufklärung  machten dieses Städtchen zu einer Mairie (Bürgermeisterei), zu der unter anderen auch mein Heimatdorf Schönau zählte. Sie verlangten zunächst wieder spürbare, aber korrekt festgelegte Abgaben unter Androhung einer militärischen Exekution bei Zuwiderhandlung. Dasselbe galt für das Stellen von Arbeitskräften zum Bau von Verteidigungsanlagen, zum Beispiel im weit entfernten Koblenz.

Am 06. Oktober 1794 marschierten die Truppen Napoleons mit 12 000 Soldaten in Köln ein

und besetzten die Stadt 20 Jahre lang. Verwaltungstechnisch führten sie viele positive Neuerungen in der Stadt ein, zum Beispiel die Hausnummerierung und das Rechtssystem Code Civil. Negativ waren die Schließung der Universität,  die Säkularisation zahlreicher Kirchen und Klöster und die Aufhebung der Zunftregeln des Handwerks.

Dann aber, mit der Abtretung des linksrheinischen Gebietes an Frankreich gemäß der „Proklamation 1794 des Friedens von Lunéville am 10. April 1801,  trat eine leichte aber spürbare Besserung ein. Jetzt waren die Eifler französische Staatsbürger und gehörten zur „Grande Nation“. Doch diese von Frankreich aufgrund des genannten, mit Österreich geschlossenen Friedensvertrages einverleibten Gebiete westlich des Rheines waren jetzt verpflichtet, dem kaiserlichen Heer „bei Bedarf“ Soldaten zu stellen. Und Bedarf gab es reichlich! So kam es, dass bei dem verhängnisvollen Marsch Napoleons  nach Rußland in seiner 500 000 Mann starken Streitmacht nur 100 000 Franzosen, aber 200 000 Deutsche aus den linksrheinischen Gebieten und dem sogenannten Rheinbund gegen Moskau zogen. Der Rest wurde im Wesentlichen von Polen, Spaniern und Italiener gestellt. Auch waren einige Preußen und Österreicher in dieser Armee zu finden. Dann kam die Katastrophe über die sieggewohnte Armee, die mitten im kalten unwirtlichen russischen Winter ein verlassenes und brennendes, also fürs Winterquartier ungeeignetes  Moskau vorfand und dann auf ihrem Rückzug in den verschneiten Weiten Rußlands erfror oder sich mit Erfrierungen nach Westen schleppte. Die Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1813 gab ihr den Rest. Nach ihrer anschließenden panikartigen Flucht nach Frankreich begann Mitte Februar 1814 der Durchmarsch ihrer Verfolger,  im Wesentlichen russischer und preußischer Truppen, durch die Eifel. Doch die Russen und Preußen wurden hier keineswegs jubelnd empfangen. Man war es Leid, immer wieder neue Armeen versorgen und beherbergen zu müssen.

 

Ignoranz des fernen Berlin   

Der nach den Befreiungskriegen (1813/15) auf dem Wiener Kongreß beschlossene Anschluß der Rheinprovinz an Preußen (auch Sachsen war im Gespräch gewesen) brachte gegenüber der Eifel nur Ignoranz der weit entfernt liegenden hochnäsigen Metropole, die die Eifel bestenfalls als ein großes Jagdgebiet betrachtete. Hierdurch und insbesondere wegen der totalen Vernachlässigung des Baues und des Ausbleibens der Wiederherstellung und Unterhaltung von Wegen und Straßen, kamen die letzten noch verbliebenen oder wieder entstehenden Industrien wegen fehlender Infrastruktur zum Erliegen. Das erneute Fehlen von Saatgut (wegen fehlender Transportmöglichkeiten) führte wieder zu Brachland, Missernten, Hungersnot und Auswanderung. Noch mein Großvater väterlicherseits berichtet, man habe immer wieder vergeblich versucht, bessere Verbindungsstraßen zu bekommen. Preußisch-Sibirien, wie die Eifel jetzt herablassend genannt wurde, interessierte Berlin mittlerweile hauptsächlich als militärisches Vorland gegenüber Frankreich und (später auch) Belgien. Aber da genügte nach Ansicht der preußischen Militärs der Bau von Eisenbahnstrecken, zum Beispiel einer durch das Ahrtal in Richtung Grenze. Immerhin ordnete man in Berlin an, mit dem Abschießen der überhand nehmenden Wölfe zu beginnen. Und man legte mit preußischer Gründlichkeit genaue Abschußzahlen fest. Immerhin, wenn man so will, ein zaghafter Anfang für ein abgeschriebenes Bergland. Erst 1850 wurde in Berlin ein Notprogramm beschlossen. Vor allem: Aufforstung der Wälder. Interessante Jagdreviere! Reiche Familien nisteten sich inmitten dieser Jagdreviere ein: Haus Neuerburg, Haniel usw. Die Armut ringsum aber blieb noch lange Zeit.

Das Bachbett als Fahrstraße             

Und so sind mir noch die Schilderungen meines Großvaters in Erinnerung, wonach die Straße von Schönau nach Münstereifel streckenweise durch das steinige Bachbett der oberen Erft verlief, während ein Fußweg parallel hierzu oberhalb durch den Wald (und somit trockenen Fußes zu begehen) geführt wurde. Ich persönlich kenne noch mehrere Wirtschaftwege, wie beschrieben. Zur Erklärung: Im steinigen Bachbett können die Fuhrwerke nicht einsinken. Die durch das fließende Wasser von Lehm und Sand freigespülten Steine des felsigen Untergrundes ersetzen also Schotter und Packlage einer „gebauten“ Straße.

Raiffeisengenossenschaft            

So wie die meisten Kleinbauern der Eifel, war auch mein Großvater verschuldet und bei den meist jüdischen Händlern in Münstereifel in die Kreide geraten. Diese Händler betätigten sich keinesfalls als Kredithaie. Dennoch wurden die Schuldenberge der Bauern wegen laufender Mißernten eher größer als kleiner. Da griff der Schönauer Pfarrer Klinker im Jahre 1909 beherzt ein und gründete kurzerhand die Schönauer Spar-und Darlehenskasse. Diese wurde als Raiffeisen-genossenschaftskasse u.a. der Rheinischen Warenzentrale in Köln angeschlossen. Sie sorgte nicht nur für günstige Kredite, sondern auch für einen preisgünstigen Bezug  von Kunstdünger, Brennmaterial (Briketts) und Saatgut und für eine akzeptable Vermarktung der Ernteüberschüsse.

Die Mobilmachungen im Jahre 1870 und im August 1914

klappten auch ohne bessere Straßen in der Eifel durch das erwähnte, auf Verteidigung und Truppenaufmarsch im Westen ausgerichtete Eisenbahnnetz. Dies hatte auch ein Gutes: Die Eifeler Bevölkerung hatte beidemal nicht zu leiden.

 

Ausnahmen bestätigen die Regel          

Natürlich gestatteten sich die Preußen einige löbliche Ausnahmen, die nicht ganz in das düstere Bild des vernachlässigten Anhängsels Eifel passen, nämlich dort, wo handfeste Interessen vorlagen. So wurden die Bleibergwerke der Eifel, zum Beispiel bei Mechernich, nicht nur weiter betrieben, sondern auch mit dem moderneren Straßen- und Schienennetz verbunden. Gleiches gilt für den Abbau des basaltischen Vulkangesteins im Mayener Raum und der Lava in der Vulkaneifel, der nach gesicherten Quellen schon von den  Römern betrieben wurde. Und dann brachte der (Erste) Weltkrieg durch die Seeblockade der Entente Cordiale gegen die Mittelmächte eine Hungersnot über Deutschland und Österreich. Jetzt galt es, alle Möglichkeiten für eine ausreichende Produktion an Lebensmitteln im Lande selbst zu erschließen und so begann man, auch in der Eifel bisher ungenutztes Brachland zu kultivieren. Roggen und Kartoffel gediehen auch im steinigen Boden der Hochflächen. Das Streuen des mittlerweile erfundenen Kunstdüngers ermöglichte sogar bescheidene Erträge bei Weizen- und Futterrübenanbau.



Unabhängigkeit vom Ausland

Unter dem Motto „Unabhängigkeit vom Ausland“ fördern die Nationalsozialisten ab 1933 die Eifeler Landwirtschaft ohne besondere Beachtung der Wirtschaftlichkeit. Über dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit steht jetzt die Losung: Kampf dem Verderb. Zum Durchsetzen dieser Ziele gründete man den Reichsnährstand. Ihm obliegt die zwangsweise Zusammenfassung der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung so wie Verteilung und Verarbeitung dieser Produkte in ganz Deutschland. In unserem Dorf ist der Ortsbauernführer hiermit beauftragt. Da ich ihn noch nie in irgendeiner Parteiuniform gesehen habe, halte ich ihn für recht umgänglich. Er will wohl keinen Streit in unserem Dorf, wo jeder jeden kennt und grüßt. Aber an seinem Fachwerkhaus ist ein Blechschild auf einem Balken angenagelt worden. Es gibt zur Zeit kaum ein Haus ohne irgendeinen Hinweis, und sei es nur das Schild der Versicherungsgesellschaft, bei der das Haus versichert ist.



Reichsnährstand. Hier im Haus wohnt der Ortsbauernführer

Der Reichsnährstand, Entschuldung der Bauern

In unserer Nachbarschaft wird ein neues Wohnhaus anstelle eines total abgerissenen alten Fachwerkhauses gebaut. Der Eigentümer ist selbst ein guter Bauhandwerker mit etwas Talent zur Aufstellung einer sinnvollen Zimmeraufteilung, die es ermöglicht, die begrenzten Mittel nicht über Gebühr zu strapazieren und dennoch genügend Raum für eine von Jahr zu Jahr zunehmende Kinderzahl zu schaffen. Er freut sich zwar über die ihm vom nationalsozialistischen Staat gewährten Mittel, schleppt aber tief im Herzen immer noch einen Rest von kommunistischer Gesinnung durch die neue Zeit. Wenn mein Vater ihm gegenüber  immer wieder betont, Hitler bevorzuge den in allen Reden hervorgehobenen Deutschen Arbeiter gegenüber dem Bauernstand, dann bringt das unseren Nachbarn, gelinde gesagt, auf die Palme. Er ist ja belesen genug, etwas über den Aufstieg der Nazis zur Macht zum Besten zu geben. So behauptet er, gerade die protestantischen Massen des Bauerntums nördlich des Mains und auch im sektiererischen Oberbergischen Kreis ( nach dem Nazi Robert Ley auch Leyland genannt) hätten der NSDAP die Stimmen beschert, die sie für die legale Machtergreifung brauchten. Um ihre errungene Herrschaft auf eine breite und solide Basis zu stellen,  trachteten sie, auch die Bauern und kleinen Landwirte in den katholischen Gebieten zu gewinnen. Es dauert nicht lange, und es vollzieht sich in diesem Sinne eine selbst von meinem Vater nicht erwartete Entwicklung: Die Entschuldung aller landwirtschaftlichen Betriebe. Das ist ein Hammer! Denn wer war in Schönau (zum Beispiel) nicht mehr oder weniger verschuldet? - Und nun sind sie alle schuldenfrei. Man dankt es dem Führer mit einem Ansteigen der Geburtenzahl. Bei diesen rosigen Aussichten für die Zukunft kann sich der Bauer doch tüchtig ins Zeug legen. „Die Zukunft liegt in guter Hand, wird Deutschland wieder Kinderland.“ Na? Blut und Boden! Da habe ich doch irgendwo, ich glaube, es war in der Bauernzeitung, gelesen, die noch unverbrauchte Landbevölkerung müsse das Blut des deutschen Volkes immer wieder auffrischen. Ein Zuchtprogramm für ein ganzes stets kampfbereites Volk.

Auf dem blechernen Schild des Ortsbauerführers steht der markante Begriff „Blut und Boden“. Dieser Begriff lässt die Rassenpolitik der neuen Machthaber durchklingen. Es geht ihnen, so unser Nachbar, gar nicht um eine rentable Landwirtschaft, die es gar nicht geben könne, sondern um eine ständige Erneuerung des Volkes durch seine Bauernschaft. Da haben wir es wieder! Und da werde ich, der ich dieses Gespräch interessiert belausche, an den Text auf einem Blatt im Bauernkalender an der Bürowand meines Vaters erinnert, der da lautet: „Das Dritte Reich wird ein Bauernreich sein oder es wird vergehen wie die Reiche der Hohenstaufen und Hohenzollern“. Und dann steht dabei, dies sei ein wichtiger Ausspruch Adolf Hitlers.

 



Gefahren der Unabhängigkeit vom Ausland

„Jetzt haben wir den Salat!“ sagt Vater. „Was für einen Salat?“ frage ich. „Pass mal auf! Jetzt, nachdem wir die Unabhängigkeit vom Ausland propagiert und das Ausland verärgert haben, denken wir erstmalig über mögliche negative Folgen nach. Was passiert, wenn wir, zum Beispiel, eine totale Missernte bei Kartoffeln hätten? Wir bekämen in Deutschland eine Hungersnot. Denn keiner unserer Nachbarn würde uns helfen.“ – „Aber wie soll denn so eine Missernte entstehen?“ frage ich. „Das ist es ja eben: Sie steht leibhaftig vor der Tür, und zwar als drohende Krebserkrankung der beliebtesten Speisekartoffelsorten Industrie und Goldwährung.“ „Vater, wir pflanzen doch nur 

Ein gefräßiger Schädling: Der Kartoffelkäfer

diese beiden gelbfleischigen, gut schmeckenden Sorten an. Der weißfleischige Ackersegen wird doch nur als Futterkartoffel für die Schweineaufzucht verwendet. Was nun?“ „Der Reichsnährstand hat bereits entschieden, dass die genannten beiden guten Speisekartoffelarten in diesem Jahr zum letzten Mal zum   Verzehr freigegeben werden, nicht aber als neue Pflanzkartoffeln.“  „Guten Appetit im nächsten Jahr!“

„ Und“, so fährt Vater fort, „ab dem kommenden Frühjahr werden, wie mir euer Lehrer gestern Abend beim Üben des Gesangvereins mitteilte, die Schulklassen für die Kartoffelkäfersuche eingesetzt. Diese Suchaktionen sollen aber stets erst im Anschluss an die letzte Unterrichtsstunde beginnen. Übrigens: Zum Flachsrupfen auf den Feldern werdet ihr auch von der Schule aus eingesetzt  Jeder Landwirt ist verpflichtet, entsprechend der Gesamtgröße der Ackerfläche mindestens ein Feld mit Flachs einzusäen. Es soll ja auch gut bezahlt werden und die Gefahr einer Missernte ist bei Flachs äußerst gering “

Das gibt mir zu denken. Wir Schüler sind also durchaus nicht unwichtig beim Aufbau eines großen Vaterlandes. Im Deutschen Jungvolk und in der Hitlerjugend singen wir, unseres Wertes bewusst:



Herbst 1939: Und wieder Aufmarschgebiet

Während die modernen motorisierten Verbände Polen besetzen, werden im Westen zunächst bespannte Einheiten einquartiert. Hier im Bild rückt im November 1939 das Infantrie-Rgt. 96, Bau-Bataillon 576, 3. Kompanie in Schönau ein.

Weil zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 der Schlieffenplan (Macht den rechten Flügel stark!) bei der verlustreichen Schlacht an der Marne gescheitert war, wurde jetzt, im Spätherbst 1939, der Sichelschnitt-Plan ausgearbeitet (durch die Ardennen zur Kanalküste). Siehe "Sturmläuten über der Eifel".

Und wieder Aufmarschgebiet       

Ab Herbst 1939 wird die Eifel wieder Aufmarschgebiet werden, diesmal für die neue Deutsche Wehrmacht, die jedoch im Gegensatz zu den Landsknecht- und Söldnertruppen der Vergangenheit gut verpflegt sein wird und nicht auf Beschlagnahmen, Plünderungen und Mord angewiesen ist. Auch das Straßennetz  wird inzwischen „wohlweislich“ leidlich verbessert sein. Aber es wird dennoch vieles im Argen liegen. Allerdings werden zu diesem Zeitpunkt alle Reichsstraßen und auch die Landstraße von Münstereifel über Schönau zum Nürburgring asphaltiert sein. Die nicht asphaltierten Land- und Kreisstraßen werden immerhin einen tragfähigen Unterbau aus Setzpacklage und Schotterschicht haben, der aber oberhalb dieser Schicht nur mit Sand eingestreut ist. Und so wie diese Landstraßen wird auch immer noch unsere Dorfstraße nicht „staubfrei“ sein. Doch diese Straßenkonstruktion wird ausreichen, im Jahre 1939 einen militärischen Aufmarsch mit schwerem Gerät auf breiter Front in Gang zu setzen, der alle Eifeldörfer in vorher nie gekannter Masse an Menschen und Material überschwemmen wird. Die Straßen werden diesen Belastungen standhalten,

die Bevölkerung in bescheidener Demut auch.

Im letzten Kriegswinter 1944/45, in dem die Eifel unerbittlich in die Kriegshandlungen einbezogen wird, werde ich als Soldat auf einem nächtlichen Patrouillengang in der Schnee-Eifel von einem genervten Kameraden folgende „sehnsüchtige“ Bemerkung auffangen:

„Gott schenke uns den Frieden und den Franzosen die Eifel“.

Und die in der Euskirchener Börde oder Voreifel lebenden, mit großen fruchtbaren, steinfreien Feldern gesegneten Dörfler sprachen, und sprechen auch manchmal heute noch, ein wenig herablassend von der „Bretterwand“ , hinter der die Bevölkerung der Eifel lebe.

Das ärgert mich weniger, als ein Gedicht, in dem es u.a. heißt:

Eifel heißt, was kalt und rau,

was sehr naiv und wenig schlau:

Ich werde mich ein Leben lang bemühen, diesem Vorurteil gerecht zu werden. Ihr werdet schon sehen! Schicksalhaft naiv wie ich nun eben ohne eigenes Zutun bin, kehre ich jetzt wieder in meine eigene Jugendzeit zurück.

Heute: Inzwischen wurde die Eifel für den Tourismus entdeckt.

In den Siebzigern meines Lebens ist die Eifel ein beliebtes Ausflugsziel geworden. Sie wurde als ein Land des Übergangs entdeckt, in dem es eine Vielzahl von landschaftlichen Kleinoden zu entdecken und zu  bewundern gibt. Hier nur ein paar Beispiele:



Wachsender Wasserfall bei Nohn
Lavabombe bei Strohn
Dauner Maare, die "Augen der Eifel" *) Bild von Vulkaneifel Touristik & Werbung GmbH