Winterkämpfe in Schnee-Eifel und belgischen Ardennen
Der letzte Kriegswinter 1944 / 45
Zu Besuch im Elternhaus
Ich erscheine bei meinen Eltern, Geschwistern und Verwandten im Eifeldorf Schönau bei Münstereifel wie ein Gespenst aus einer anderen Welt: Hohlwangig, unrasiert und mit abgetragener verschmutzter Uniform. Mein Vaterhaus ist bis unters Dach mit Familienangehörigen belegt, und zwar sind es unsere Verwandten aus der Frontstadt Gemünd und aus dem völlig zerstörten Düren. Zusammen mit der eigenen Familie sind es 16 Personen. Obwohl ich recht früh mit meinem fahrradähnlichen Gefährt in Birkesdorf aufgebrochen war, reichten meine physischen Kräfte nur bis zu einem Dorf nördlich von Bad Münstereifel namens Iversheim aus. Die zermürbenden Kämpfe westlich von Düren hatten mich so geschwächt, daß ich ab dem Einbruch der Dunkelheit nur noch zu Fuß, das Fahrrad schiebend, weitergekommen war. Die Reichsstraße 51, der ich entlang schlich, war voller Munitionstransporte in Richtung Schneeeifel, also belgische Grenze. Das sieht verdammt nach der Vorbereitung einer deutschen Offensive aus! Neben diesen abgedunkelten Militärfahrzeugen am Straßenrand entlang zu wackeln war nicht nur beschwerlich, sondern auch gefährlich. Ich machte also in besagtem Dorf schlapp, fand bei einem ehemaligen Arbeitskollegen vom Konstruktionsbüro der Münstereifeler Maschinenfabrik, der nicht zum Militär eingezogen worden war, Unterkunft für die Nacht und überließ ihm als Dank ein paar echte Frontläuse . Jetzt, am nächsten Morgen, gehe ich, etwas erholt, aber dennoch scheußlich aussehend, nach Hause. Ich trete in unsere Stube ein und sage scherzhaft zu der überraschten Mutter: „Ein Soldat der Großdeutschen Wehrmacht bittet um Einlass“. Ist das eine Wiedersehensfreude! Wegen der Übernachtung unterwegs verbleibt mir jetzt nur noch eine Nacht, die aber ausreicht, auch zu Hause einige quicklebendige Frontläuse zu hinterlassen und dann, um diese erleichtert, zu dem mir als Sammelpunkt benannten Lissendorf in der Eifel weiterzuziehen. Heute, es ist der 16. Dezember 1944, meldet der Wehrmachtsbericht den Beginn der sogenannten Ardennenoffensive der deutschen Wehrmacht, nach ihrem kommandierenden General auch Rundstedt-Offensive genannt.
Die Ardennenoffensive der Deutschen Wehrmacht
Dieser Offensive lag der Plan zugrunde, den alliierten Nachschub durch die Eroberung des Hafens von Antwerpen empfindlich zu stören und damit den Verlauf des Krieges so zu beeinflussen, dass die Westmächte zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Deutschland bereit wären. Man könne sich dann voll auf den Krieg im Osten konzentrieren. Dieser Plan, den selbst Generalfeldmarschall von Rundstedt, der zu Beginn der Planung nicht eingeweiht war, als undurchführbar ansah, war bereits im September 1944 unter den Decknamen „Wacht am Rhein“ und „Herbstnebel“ ausgearbeitet worden. Selbst die noch von einem mäßigen Erfolg überzeugten Strategen setzten als wesentliche Voraussetzung für das Gelingen eine langanhaltende Schlechtwetterlage voraus, die den Einsatz der alliierten Luftwaffe verhindern oder zumindest stark einschränken sollte. Da dieses Schlechtwetter zunächst auf sich warten ließ, wurde der Beginn der Offensive vom 27. November auf den 16. Dezember verschoben. An diesem Tag des Angriffs sah der Plan die Einnahme von St. Vith am 17. Dezember und ein Überschreiten der Maas Weihnachten 1944 vor. Nun kehre ich zu meinen persönlichen Erlebnissen zurück.
Im Großen und Ganzen ist das Wetter bedeckt und für die gefürchteten Jagdbombereinsätze der Amerikaner recht ungeeignet. Aber sobald der Himmel nur leicht aufklart, sind sie da: Die einmotorigen Thunderbold und die zweimotorigen Doppelrumpfflugzeuge vom Typ Lightning. Letztere springen dicht am Boden über die Berge und feuern nach vorne und, durch den Heckschützen, auch nach hinten. Zudem sind sie mit Splitterbomben bestückt. Heute läuft der deutsche Angriff recht gut, weil diese sporadischen Störmanöver der Jabos noch keine ernsthaften Ausfälle beim Nachschub bewirken. Am Straßenrand liegen zwar hier und da einige ausgebrannte Tankfahrzeuge, deren Inhalt vorne bei den Panzern dringend gebraucht wird. Es lässt sich schon absehen, daß die deutsche Offensive bei besserem Wetter wegen fehlendem Sprit austrocknen wird.
Die Kunst des Organisierens
Kurz vor Blankenheim setze ich mich aufs Fahrrad und fahre die abschüssige Straße hinunter in den Ort hinein. Da steht direkt hinter dem Ortseingang ein alter mit Tarnfarben beschmierter Bus und um diesen herum lungern die Kameraden unseres Bataillonsstabes. Ich steige vom Fahrrad, das dann oben auf dem Bus befestigt wird.. Man berichtet mir, der Motor des Busses sei defekt, aber es sei noch genügend Sprit für ein Abschleppfahrzeug vorhanden. Mit einem Sattelschlepperfahrer wird man schnell einig: Sprit gegen Abschleppen. Nachdem der Tankinhalt umgefüllt ist, fährt der Sattelschlepper zur nächsten Kreuzung „um zu wenden“ und wird nie mehr gesehen. Das nennt man organisieren. Wir schlafen in der Blankenheimer Burg, einst Jugendherberge, und werden am nächsten Morgen durch einen Bombenteppich geweckt, der aus einem nebelverhangenen Himmel rauscht. Ziemlich gut gezielt! In Lissendorf empfängt uns ein ungeduldiger, polternder Bataillonskommandeur.
Am nächsten Tag sorgt ein blauer wolkenloser Himmel für rege Fliegertätigkeit der Amerikaner.
Der Anfang vom Ende
Der großen Schlacht im sogenannten „Roerbrückenkopf“ bei Düren soeben ohne Blessuren entronnen, begebe ich mich jetzt auf den Weg in die letzte Tragödie des Krieges an der Westfront: Die Ardennen- oder Rundstedtoffensive. Das Fazit dieser Offensive, von der ich im Folgenden berichten werde, sieht wie folgt aus:
Ein untauglicher letzter Versuch
„Es riecht nach Offensive“ sagt
der Hauptfeldwebel, als man fragt,
was dieser Krach bedeute.
Dann schaut er sich den Aufmarsch an
und meint, das sei nur „alter Kram“,
der den Gestank verbreite.
Die Panzer, x-mal repariert, *
mit Karrenölen eingeschmiert.
Der Sprit reicht um drei Ecken . *) Mit Ausnahme der neuen Tigerpanzer,
die jedoch bald wegen Spritmangels
liegen bleiben.
Was hat der Rundstedt sich gedacht,
als er den Angriffsplan gemacht?
Wollt‘ er den Ami necken?
„Nein, nein, das ist ein Beutezug,
denn Sprit bekommen wir genug,
von diesen Kampfversagern.“
Der Ami aber hat gedacht:
„Jetzt wird ein Großbrand angefacht
in allen Treibstofflagern.“
Und so endet bald der Kampf,
der ohne Sprit ein einz’ger Krampf.
Es ist ja nicht zu fassen.
Die Luft ist rein, sie stinkt nicht mehr.
Die Panzer steh’n jetzt still und leer,
unbrauchbar und verlassen.
Im Osten würden sie gebraucht.
Die letzte Hoffnung ist verraucht,
das Dritte Reich am Ende.
Ich fühl‘, nun kommt ‘ne neue Zeit,
wo man zum Kampf nicht mehr bereit.
Das war die große Wende.
Ende!
Die zweimotorigen Bomber vom Typ Martin Marauder fliegen eng in kleinen Gruppen und zerbomben die Eifel-Bahnhöfe. Wir nennen sie "Schnellkommandos".
Voraus fliegt der "Quartiermacher" oder "Pfadfinder", der mit einer Rauchbombe das Ziel markiert.
Wir werden mit Lkws zur ehemaligen Grenze bei Losheim gebracht. Unterwegs beobachten wir das systematische Zerbomben der Eifelbahnhöfe. Es ist wieder das Werk der „Schnellkommandos“, der zweimotorigen Martin-Marauder, die, eng aufgeschlossen fliegend, ihre
Bombenteppiche treffsicher ins Ziel bringen. In großer Höhe ziehen die viermotorigen Flying Fortress, durch Kondensstreifen ihre Bahn nachhaltig markierend, Richtung Osten. Nachdem sie verschwunden sind, ist der vorher so blaue Himmel total „bewölkt“.
Winterkämpfe in Schnee-Eifel und Ardennen
Hier oben in der Schnee-Eifel ist der Winter eingekehrt. Das Wetter hat sich zum Nachmittag hin meteorologisch betrachtet verschlechtert, also hinsichtlich unserer Sicherheit vor Fliegerangriffen verbessert. Es schneifelt und der feuchte Boden gefriert. In guter Winterkleidung kommen uns unter
Bewachung amerikanische Kriegsgefangene entgegen. Unser Bataillonskommandeur wird um Transporthilfe für schwerverletzte Amerikaner gebeten und er stellt ohne Zögern unter anderem seinen Mercedes zur Verfügung. Er vermutet den baldigen Austausch von Schwerverletzten und möchte dafür Sorge tragen, daß die ausgetauschten Amerikaner hierüber positiv berichten werden, was wieder Einfluß auf die Behandlung unserer eigenen in Gefangenschaft geratenen Soldaten haben dürfte. Im Wehrmachtsbericht heißt es: „Die feindlichen Besatzungen in der Schnee-Eifel wurden aufgerieben.“
Wir schlittern mit unserem Fahrzeug über einen gefrorenen zerfurchten Feldweg und beziehen dann Quartier in einem kleinen Eifeldorf mit Namen Valender (gehört nach Kriegsende wieder zu Belgien) . Bei einem älteren Ehepaar, das ihren Sohn in der deutschen Marine vor Norwegen verloren hatte, benutzen wir den Boden der guten Stube als Schlafstatt. Die Eheleute besitzen noch eine Tochter, die liebevoll für die Eltern sorgt und selbst uns in ihre Mütterlichkeit
einbezieht. Wir liegen hier noch in Bereitschaft, als am Tag vor Heilig Abend nördlich von uns, also etwa in Höhe von Elsenborn, einem ehemaligen Truppenübungsplatz des Deutschen Kaiserreichs, sich plötzlich „der Himmel auftut“ und, aus schweren Transportflugzeugen abgeworfen, Geschütze, Panzer, Fahrzeuge und Soldaten gemächlich zur Erde baumeln. Noch am selben Nachmittag erhalten wir aus dieser Richtung Artilleriebeschuß.
Heilig Abend 1944 (Die letzte Kriegsweihnacht)
Auf Heilig Abend ist es ruhig und unsere mütterliche Haustochter bringt es fertig, die Einquartierung des Dorfes in der Schule zu versammeln und zum gemeinsamen Singen von Weihnachtsliedern zu animieren. Und immer wieder möchte sie „Stille Nacht...“ gesungen haben. Selbst die ebenfalls anwe-senden verwundeten SS- Soldaten singen kräftig mit. Nun sind sicherlich auch einige SS- Leute recht flexibel und das Bild eines SS- Offiziers, der Goethes Faust liest, bevor er sein schlimmes Handwerk verrichtet, hat für mich nichts Unglaubliches an sich.
Aber wenn ich heute über diesen Abend nachdenke, kommt mir Heinrich Heine in den Sinn, der, nach seitenlangen Lästerungen fast reumütig bekennt, nicht die aufgeklärte Deutsche habe es ihm angetan, sondern die katholische Italienerin; denn, eine Frau ohne Religion sei wie eine Rose ohne Duft. So machen heute Abend Krieg und Kriegslust eine feierliche Pause. Dann beklagt sie, unsere mütterliche Gastgeberin, dass so viele nette Jungen des Dorfes gefallen sind. Sie erzählt auch, die Amerikaner hätten bis zur deutschen Offensive außerhalb des Dorfes in Zelten gelebt und die Dorfbewohner in keiner Weise belästigt. Für einige Wochen seien sie, die Dorfbewohner, wieder Belgier gewesen.
Wir wissen, dass in ein paar Tagen der nächste Fronteinsatz für uns fällig wird und kaum einer von uns glaubt an diesem Heiligabend an ein Überleben und schon gar nicht an ein langes Leben.
71 Jahre später. Heiligabend 2015
Nun bin ich Anfang November 88 Jahre alt geworden und heute muss ich an jenen Heiligabend 1944 zurückdenken. Und so münden meine Gedanken in die Feststellung ein:
Wenn die Zukunft in einem kaum zu ertragenden Dunkel liegt braucht man einen starken Glauben, damit die Hoffnung nicht erstirbt.
Nun bin ich wieder im letzten Kriegswinter
Abends donnern die deutschen fliegenden Bomben V 1 (offizieller Name Marschflugkörper Fieseler Fi 103) am dunklen Himmel mit einem Feuerschweif, wie der feurige Elias, in Richtung London oder Antwerpen. Einigen V 1 ist dieser Weg zu lang und sie machen als „Eifelschreck“ unterwegs ihre Dummheiten.
Eines Abends müssen wir uns aus Bettlaken Tarnhemden nähen, die wir über unserer Uniform zu tragen haben. Dann marschieren wir bei Dunkelheit nach Norden in Richtung der an Fallschirmen herabgeschwebten amerikanischen Verstärkung. Wir beziehen im Wald bereits vorhandene Unterstände, die eher schutzbedürftig, denn Schutz spendend aussehen. Die Amerikaner, die wir vom Waldrand aus beim Wärmen ihrer Hände beobachten können, haben die Verstärkung der deutschen Linie bemerkt und bleiben auf Distanz. In der zweiten Nacht werden wir lediglich durch das Feuer einer deutschen DO- Werfer- Einheit gefährdet, die die Höhe der Tannenbäume falsch eingeschätzt hat und diese jetzt ihrer Spitzen beraubt.
Da also von uns keine Verteidigung der Stellung abverlangt wird, marschieren wir wieder zu nächtlicher Stunde, weiß getarnt, über die verschneiten Felder und Wiesen zurück in die Bereitstellung in Valender. Das Störfeuer der amerikanischen Artillerie wirkt fast romantisch durch den mehrfachen Widerhall in den Wäldern.
Dann wird es wieder ernst. Wir werden zum Sturm nach Nordwesten in Richtung Lüttich angesetzt und erreichen mit Mühe den Ort Grand Halleux in Belgien. Anschließend müssen wir bei Ligneuville, das jetzt wieder Engelsdorf heißt, eine Verteidigungslinie aufbauen. Bei starkem Schneetreiben marschieren wir dorthin. Uns kommen Pferdefuhrwerke mit flüchtenden Einwohnern entgegen. Als wir sie nach dem Namen des vor uns liegenden Ortes fragen, sagt einer der Bauern: „Mal heißt er Engelsdorf dann Ligneuville und jetzt wieder Engelsdorf. Könnt ihr uns nicht endlich in Ruhe lassen?“ Keiner antwortet ihm, sind wir doch dabei, selbst am Sinn dieses Krieges zu zweifeln.
Wer ist stärker, Überlebenswille oder Ermattung?
Und das stundenlange Stapfen durch die hohen Schneedünen hat uns so entkräftet, dass wir jeden Widerspruchsgeist verloren haben und bereits am Ende des Überlebenswillens angelangt sind. Als wir morgens loszogen und in den knietiefen Schnee hinausstapften und gegen den Sturm ankämpfen mußten, glaubte ich, diese Strapaze maximal zwei bis drei Stunden durchstehen zu können. Unterwegs macht dann auch einer, dann ein zweiter schlapp. Es ist, so glaube ich, fast wie eine Erlösung, sich einfach an den Straßenrand zu setzen und das Ende abzuwarten. Aber das können wir nicht zulassen, denn es macht Schule und schwächt die Kampffähigkeit unserer Einheit. So setzen wir sie auf einen Schlitten und transportieren sie bis zum nächsten Bauernhaus. In meinem Alter von 17 Jahren ist der Überlebenswille so stark ausgeprägt, daß ich meinen Weg trotz der unmenschlichen Strapazen ohne fremde Hilfe unter Aufbietung der letzten Kraftreserven fortsetzen kann.
Ausschaltung des Denkens
Aber, das Weiterlaufen geht rein mechanisch vor sich. Ich kann es nicht mehr vom Gehirn aus steuern und beeinflussen. Dieses Fehlen einer Verbindung vom Gehirn zu den Beinen wird mir plötzlich erschreckend bewußt, als ich mich ohne Erfolg bemühe, auf ein anderes Marschtempo überzugehen. Die Beine gehorchen nicht! Dies ängstigt mich zunächst sehr, wird dann aber wieder unbewußt verdrängt. Vielleicht tun die Beine ohne meine Anordnungen das einzig richtige, nämlich das Marschtempo den verbliebenen Kraftreserven automatisch anzupassen. Warum hat man uns nicht mit Skiern versorgt? In Kürze werde ich feststellen dürfen, daß diese für die Front bestimmten Skiern zum Beispiel in meinem Heimatdorf von Etappenhasen an hübsche Mädchen verteilt werden. Wir essen, vom Durst gequält, Schnee und stellen bald Blut im Stuhl fest. Auf der endlos scheinenden Schneefläche, diesem weißen Leichentuch, tanzen bunte Kreise vor meinen Augen. Dann erscheinen dieselben bunten Kreise, sich wild drehend, in der bleiernen Luft. Irgendwann, nachdem ich längst das Denken eingestellt habe, erreichen wir unser Quartier gegen Mitternacht.
In den Kellern von Engelsdorf, einem Fremdenverkehrsort
Die Skier landen im Hinterland der Front bei Skihasen und lustigen Vögeln
(in Friedenszeiten), der von den Belgiern Ligneuville genannt wird finden wir nur trockenes Brot und Wein und in den nächsten Nächten schlummern wir ziemlich schwerelos in den jeweils folgenden Morgen hinein. Übrigens hielt sich in diesem Ort der alliierte Oberkommandierende General Eisenhower noch am 15. Dezember, also einen Tag vor dem Beginn der deutschen Offensive auf. Das bedeutet, dass die Alliieren an diesem Tag noch total ahnungslos waren.
Wir werden hier mit ununterbrochenem Granatwerferfeuer eingedeckt, das wir aber wegen unserer gut geschützten Unterkünfte nicht sehr ernst nehmen. Lediglich unser zu Besuch weilender Zahlmeister wirkt wie ein Flatterhemd und verlässt uns bereits wieder vor Tagesanbruch.
Dann sind wir, ähnlich einer Feuerwehr für gefährdete Frontabschnitte wieder anderswo. Von diesem Anderswo aus ziehen wir, unsere Munitionskisten auf Rückenlehnen von Stühlen, die wir als Schlittenkufen benutzen, hinter uns herziehend, gegen die dortige amerikanische Linie. Da hören wir zufällig aus einem im Forsthaus stehenden Radio den deutschen Wehrmachts-bericht, der von unserem Frontabschnitt meldet: „Beiderseits von Salm und Ourthe stoßen unsere Truppen mit starken Kräften dem geworfenen Feind nach.“ Das sind wir, ein erbarmungswürdiger Haufen! Das ist zuviel! Nun ist unsere Gläubigkeit vollends dahin. Wir orientieren uns ab sofort an den Meldungen der Amerikaner.
Eingeschlossen
Irgendwann geht die links von uns stehende, auf unserer Seite kämpfende russische Wlassow- Armee wegen hoher Verluste und mangelnder Ausrüstung zurück. (Ich selbst glaube, dass manche Russen dieses verlorenen Haufens nach einer günstigen Gelegenheit für eine Gefangennahme durch die Amerikaner suchen.) Kurz darauf hat uns der Amerikaner eingeschlossen.
General Wlassow
Wlassow hatte sich ab 1941, besonders im Winterkampf 1941/42, im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht so erfolgreich gezeigt, dass er vom sowjetischen Dichter Ilja Ehrenburg literarisch geehrt und verewigt wurde. Als er dann aber am 12. Juli 1942 nach der Einkesselung der 2. russischen Stoßarmee durch die Wehrmacht vor Leningrad in deutsche Gefangenschaft geriet, verbündete er sich mit den Deutschen und stellte eine Befreiungsarmee auf, in der Hoffnung, Stalin stürzen zu können. Obwohl er Anfang Mai 1945 das Bündnis mit Deutschland brach und mit Teilen seiner Armee die Prager Aufständischen unterstützte, wurde er nach einem 2tägigen Prozess am 2. August 1945 im Moskauer Tagsanka-Gefängnis gehängt. Der Prozess fand, wie nicht anders zu erwarten war, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wlassow sollte keine Gelegenheit haben, die im „Prager Manifest“ vom 14. November 1944 veröffentlichten politischen Ziele zu wiederholen. Er wollte einen Sturz des Bolschewismus, aber keine Rückkehr zum Zarentum. Er hatte u.a. folgende Ziele proklamiert: Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür, Schutz des durch eigene Arbeit erworbenen Eigentums, Festlegung bürgerlicher Freiheits- Grundrechte.
Zurück zu unserer Einkesselung:
Nach harten Kämpfen gelingt es uns, den Ring zu sprengen und wieder Verbindung zu der deutschen Front aufzunehmen. Von dort aus bringt man uns zur Wiederauffrischung in unsere übliche Bereitstellung nach Valender. Nach dem Sprachgebrauch der die Schlachten verherrlichenden Heldengeschichten hätten wir uns beim Ausbruch aus der Umklammerung der Amerikaner „todesmutig geschlagen“.
Falsche Schilderungen: Die Wehrmachtsberichte
In den Wehrmachtsberichten wird dann aus todesmutig in einer heroischen Steigerung der Begriff „mit Todesverachtung“. Ich kann unseren Kampf beim besten Willen nicht so nennen, weil ich im Nachherein gar nicht fähig bin, unsere Aktivitäten halbwegs genau
wiederzugeben. Selbstverständlich verfolgten wir einen Plan, den ich als Bataillons-gefechtszeichner sogar für unsere Einheit auf einem Meßtischblatt maßstabsgerecht festgehalten hatte. Aber dann wurde unser Handeln weniger von den Details dieses Planes, als vielmehr vom Reagieren der Amerikaner diktiert. Taktieren ist ja das Ausnutzen von sich bietenden Gegebenheiten zur Erreichung eines vorgegebenen Zieles. Und wenn von diesem Taktieren auch noch unser Überleben abhängt, ist man mit seinen Gedanken fast bis zum Zerreißen der Nerven beschäftigt. Todesverachtung ist dabei nicht gefragt. Wer sich in Todesverachtung in den hohen Schnee setzt und sein Ende abwartet, ist für die Rettung der Einheit unbrauchbar. Dasselbe gilt für den „Todesmutigen“, der aufrecht stehend, seine Patronen verschießt, um dann selbst vom Gegner einen Gnadenschuß zu bekommen. Er hat sich quasi selbst das Leben genommen, nur, daß er die Exekution einem unbekannten Gegner übertragen hat. Er nützt mit seinem Handeln in echt preußischer Gesinnung niemandem. Kurzum: Wir durchbrachen den Einschließungsring der Amerikaner nicht mit Todesverachtung.
Viel später, lange nach Kriegsende, fällt mir zufällig eine Schrift über den Werdegang unseres Regiments-kommandeurs Oberstleutnant Karl Heinz Becker in die Hände. Dort lese ich eine Notiz mit Datum vom Januar 1945: „Als dann Anfang Januar bei Faymonville bei hoffnungsloser Unterlegenheit gegen die ausgezeichnete I. US-Infanterie-Division hartnäckiger Widerstand geleistet wurde, schlug die Division Karl Heinz Becker zur Verleihung des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes vor. Ein Zerreißen der Front wurde verhindert, als US-Panzer in die Flanke stießen und es Oberstleutnant Becker gelang, seine Truppe gegen einen an Zahl und Material weit überlegenen Gegner über Bullange, Honsfeld, Buchholz nach Berk zurückzuführen.“
Das Doppelrumpfflugzeug Lightning, das zunächst als Langstreckenbegleitjäger konzipiert war, wurde währen der Ardennenschlacht mit viel Erfolg als Jagdbomber (Jabo) eingesetzt. Diese Flugzeuge sorgten neben der Thunderbold wesentlich dafür, dass die deutschen Panzer nutzlos liegenblieben, weil der Nachschub an Sprit total zum Erliegen kam.
Erfrierung zweiten Grades meiner rechten Hand
Ich hatte während des Ausbruchs aus der Einkesselung in der rechten Hand eine Munitionskiste mit Metallgriff mitgeschleppt. Als ich jetzt in der warmen Stube auf der Erde liege, bemerke ich ein starkes Ziehen in dieser Hand. Unter fast unerträglichen Schmerzen schlafe ich schließlich ein. Am anderen Morgen erwache ich ohne jeden Schmerz. Aber, der Handrücken ist gefährlich dick angeschwollen und sieht aus, wie eine aufgeblasene Kröte. Unser Assistenzarzt stellt eine Erfrierung zweiten Grades fest (drittes Grad bedeutet Amputation der Hand) und ordnet die Einweisung in ein Lazarett an. Ich überzeuge ihn davon, daß alle Lazarette total überfüllt sind und schlage ihm die ambulante Behandlung in einem der drei Frontlazarette in Bad Münstereifel vor. Ich kann dann in unserem benachbarten Heimatdorf Schönau übernachten und den Weg zum und vom Lazarett zu Fuß bewältigen. Dieser vernünftige Vorschlag wird sofort in die Tat umgesetzt. Noch am selben Tag nimmt mich ein Lkw auf offener Ladefläche zunächst bis zu unserem Gepäcktroß in Lissendorf, und, nachdem ich meinen dortigen Kameraden die üblichen Frontläuse dagelassen habe, am nächsten Morgen nach Münstereifel mit. Mit auf der Ladefläche reisen zwei Deutsche, die sich während der kurzen Besetzung von Teilen des Eupener Gebietes durch die Amerikaner diesen zur Verfügung gestellt hatten. Ich entnehme ihrem Gespräch, daß sie große Angst vor der Vernehmung durch die Partei haben. Aber ich entnehme ihrem Gespräch auch, dass die Westalliierten den Morgenthauplan zu den Akten gelegt haben, nicht aus Menschen- oder gar Feindesliebe, sondern weil hinter den Kulissen bereits ein weltanschaulicher Konflikt mit der Sowjetunion schwelt. Weiß Gott, was aus den beiden Deutschen geworden ist. Ich verlasse in Bad Münstereifel unser kaltes Gefährt und melde mich in einem der Frontlazarette, dem ehemaligen Kneipp- Kurhaus. Als ich die laufend angelieferten Schwerverwundeten sehe, betrachte ich meine Erfrierung als kaum erwähnenswert. Ich werde nach einem Vollbad entlaust, ärztlich behandelt und dann bis zum nächsten Termin mir selbst überlassen. Eine Krankenschwester schaut mich prüfend an, lächelt und fragt: „Bist du nicht ein Schönauer Junge?“ Nun taue ich trotz Erfrierung der rechten Hand langsam auf. Ich bin spätestens morgen zu Hause! Und ich versuche, meinem bisher so gnädigen Schicksal und auch der Krankenschwester zuzulächeln.
Hier in Münstereifel will mir ein alter Zivilist, ehemaliger Soldat des Ersten Weltkrieges, Ratschläge über das Verhalten an der Front geben. Ich empfinde das so, als ob der Lanzenreiter einer Ulanenschwadron von 1870/71 Ratschläge über einen Angriff mit Sturmgewehren geben möchte. Wegen meiner fast wohligen Müdigkeit, die nach Entlausung und Vollbad Besitz von mir ergriffen hat, bin ich bereit, dem Kriegsveteran in allem Recht zu geben und somit meinen Seelenfrieden zu bewahren. Im Moment ist mir alles Wurscht.
Opfer derArdennenoffensive 1944, 1945
Gefallene Vermisste Verwundete gesamt
Deutsche 17.236 16.000 34.439 67.675
Alliierte 19.276 21.144 47.139 87.559
insgesamt 36.512
Fast 37.000 Gefallene, gestorben in dieser sinnlosen Ardennenoffensive, die nur noch ein reines Vabanquespiel war. Die Heeresleitung glaubte von Anfang an nicht an ein Gelingen und Hitlers Macht und Leben verlängerte sie nur um ein paar Monate. In dieser Zeit war Gisela Rath, meine liebe spätere Frau, in der Försterstraße 1 in Köln- Neuehrenfeld Nacht für Nacht gezwungen, den Keller als Schutz vor den laufenden Bombenangriffen aufzusuchen. Im Zweiten Weltkrieg starben insgesamt etwa 20.000 Kölner bei 262 Luftangriffen der Alliierten.
Frontlazarett Münstereifel
Die Überlebenschance steigt: Zurück ins Lazarett
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Ob scharfer Frost, ob „Heimatschuss“,
fürs Erste ist mit Kämpfen Schluss.
Ich brauch’s zum Überleben.
Nun geht’s zurück, mit Mull vermummt.
Das Trommelfeuer bald verstummt
und letzte Nebel schweben.
Ich tauch‘ in eine andre Welt,
mit Menschen denen es gefällt,
mir Freundlichkeit zu zeigen.
Obwohl nur zwanzig Meilen weit,
glaub‘ ich, ich sei `ne Ewigkeit
entfernt vom Todesreigen,
wo Kameraden hoffend stehn
und nur noch Kampf und Elend sehn.
Jetzt kommt mein schlecht‘ Gewissen!
Dann hab‘ ich’s Lazarett im Sinn
Und mein‘ Gedanken zieh‘n dorthin,
wo Krankenschwestern grüßen.
Erfrierung zweiten Grades meiner rechten Hand
Typischer LMA-Gesichtsausdruck eines Landsers in den letzten Kriegsmonaten. Das Einstellen des Denkens ist eine unbewusste Überlebensstrategie. Man würde sonst verrückt.
(Foto aus "Herders Bildungsbuch")
Auch bei den Amerikanern scheint die Kampflust erlahmt zu sein.
Abstand zur Front
Wenn man unter Kameraden im Einsatz ist, spielen Kriegsziel, Sinn des Krieges überhaupt und politische Hintergründe keine Rolle. Man ist in die Aufgabe eingebunden, die Einheit und damit auch die Kameraden und sich selbst über den Tag zu retten. Ein Tier, das im Dschungel seine Herde verläßt, geht zugrunde. Also beachtet man die Gebote der Stunde: Das Sichern des Rückzuges der Einheit in eine neue Verteidigungslinie, das Sprengen einer Brücke, um das schnelle Nachrücken des Gegners zu vereiteln, das Durchbrechen einer Einkesselung, das Überbringen einer wichtigen Meldung, einen Verwun-detentransport, die „Großwildjagd“ auf einen todbringenden feindlichen Panzer. Mit der Vergrößerung des Abstandes zur Truppe werden diese „Gebote der Stunde“ unwichtig und man findet den ganzen Krieg immer mehr zum Kotzen.
Vor dieser „Gefahr“ hatten mich meine Kameraden bereits „ gewarnt“.
Noch ein Nachtrag zum Thema Vergeltungswaffen
Als Vergeltungswaffen bezeichnet man die auf Fernziele (vornehmlich London) gerichteten Flugkörper, die als Vergeltung für das Zerbomben der deutschen Städte gedacht sind. Während die V 1, eine Flugbombe, auf ihrem Weg nach England von mutigen Jagdfliegern der Alliierten abgeschossen werden kann, ist dies bei der V 2, einer Rakete, die mit hoher Geschwindigkeit in großer Höhe fliegt, nicht mehr möglich. Die erste V 2-Rakete wurde am 8. September 1944 aus einem Wald bei Petites-Tailles (Baraque Fraiture) in den belgischen Ardennen abgeschossen. Diese 13,5 Tonnen schwere Rakete erreichte nach 70 Sekunden eine Höhe von 50 km und schlug nach knapp 5 Minuten in einem Vorort von Paris ein. Das Ziel war also noch nicht London sondern Paris. Ihr werden bis Kriegsende über 4.400 Raketen vom Typ V 2 folgen, die im wesentlichen London als Ziel haben.
Die „Vergeltungswaffe“ V 1 wurde ab Juni 1944 etwa 23 000-mal eingesetzt. Dieser verfrüht einsetzende Beschuss Englands mit der V 1 rührte daher, dass die küstennahen Abschussrampen in Frankreich durch die Landung der Alliierten in der Normandie ab dem 06. Juni 1944 zunehmend gefährdet waren.
Historie:
Sinn und Unsinn einer von vorwiegend Minderjährigen gestarteten und gescheiterten Offensive
Mit einer letzten Kraftanstrengung sollte, ähnlich der Taktik vom Mai 1940, ein Stoßkeil durch das bewaldete und teils unwegsame Bergland der Ardennen getrieben werden und durch die Einnahmen von Brüssel und der Hafenstadt Antwerpen eine Trennung der weiter nördlich kämpfenden Briten von den Amerikanern bewirkt werden. Antwerpen, als Hauptversorgungshafen wäre somit ausgeschaltet worden. Durch einen derartigen militärischen Erfolg der Deutschen sollten die Westalliierten zu einem separaten Waffenstillstand (ohne die Sowjetunion) mit den Deutschen veranlasst werden. Die dann im Westen freigewordenen Kapazitäten der Wehrmacht wären anschließend gegen die Rote Armee an der Ostfront eingesetzt worden.
Bis Mitte Dezember wurden zwischen Monschau und Echternach etwa 250 000 deutsche Soldaten mit rund 600 Panzern und Sturmgeschützen in Stellung gebracht. Dieser Aufmarsch vollzog sich vorwiegend bei Nacht ( die Räder der Geschütze z.B. waren durch Umwickeln mit Stoffen geräuscharm gemacht worden), so dass der von Generalfeldmarschall von Rundstedt geleitete Angriff im Morgengrauen des 16. Dezember 1944 die Amerikaner vollkommen überraschte. Da die Überquerung der Maas nicht im vorgesehenen Zeitplan erreicht wurde( man kam bei Dinant bis auf 5 km an sie heran), gelang es den Amerikanern, rechtzeitig Truppen aus anderen Frontabschnitten an die Ardennenfront zu verlegen. Außerdem hatte sich nach anfänglicher Schlechtwetterlage der Himmel so aufgeklart, dass der Einsatz der haushoch überlegenen alliierten Fliegerdecke volle Wirkung zeigte: Die Nachschubfahrzeuge mit Sprit und Munition lagen schon auf den Zufahrtstraßen in der Eifel, von den wendigen Jabos zerschossen, am Wegrand. Man hatte eine Offensive mit teils modernsten Panzern begonnen, deren Kraftstoff jedoch zunächst nur für die ersten 60 km ausreichte. Weder das Erobern der amerikanischen Spritlager, noch das Heranführen von Spritnachschub, gelangen. Und so mussten die Panzerbesatzungen ihre schönen neuen Fahrzeuge verlassen und zu Fuß zur Hauptkampflinie zurückgehen. Das von den Deutschen eingeschlossene Bastogne konnte auf Dauer nicht gehalten werden, entwickelte sich aber zunächst zu einem Alptraum mit hohen Verlusten für beide Seiten.
Als die Deutsche Wehrmacht wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurückgedrängt war, zähle man folgende Verluste: Deutsche Wehrmacht: etwa 67 600 Mann, Alliierte:
87 500 Mann.
Als die Rote Armee am 12. Januar 1945 mit ihrer großen Winteroffensive begann, fehlten an der Ostfront die in den Ardennen liegengebliebenen Panzer, Sturmgeschütze und Kanonen.
Einige Militärhistoriker werden später einmal behaupten, dass ein Erfolg der deutschen Ardennenoffensive die Amerikaner zum Rückzug aus Europa bewogen hätte. Es ist für mich kaum zu glauben, dass ein solcher Schritt der Amerikaner kein bloßes Wunschdenken Hitlers gewesen war, sondern bei einem Erfolg der Offensive historische Realität geworden wäre. Heute kann man nur sagen: Gut, dass es nicht so gekommen ist.
Verspielt!
Das vorstehend gezeigte amerikanische Flugblatt ist zu undeutlich, um korrekt gelesen zu werden. Deshalb bringe ich es hier nochmals in deutlicher Schrift:
„ Verspielt!
Der letzte Versuch, der Niederlage zu entgehen, ist gescheitert. Die Überraschungsoffensive, auf die Himmler und Rundstedt alles gesetzt hatten, ist im Zusammenbruch begriffen. Weder Lüttich noch Verdun wurden erreicht. Immer enger zieht sich die Schlinge um den langen Hals, den Rundstedt in die Alliierten Linien getrieben hat.
Wer gegen die Alliierten ankommen will, braucht unbeschränkten, laufenden Ersatz an Panzern, Flugzeugen, Mannschaften und Artillerie. Dass man laufenden Ersatz braucht, das wussten Rundstedt und Himmler genauso gut wie Du. Dass es nicht vorhanden war, das wussten sie auch.- Trotzdem setzten sie alles auf eine Karte – und haben verspielt.
Was sind die Folgen?
1. Tausende und abertausende sind bei diesem Hasardspiel schon ums Leben gekommen. Weitere tausende werden noch sterben müssen – aber mit einem Unterschied: Vorher mag es noch Sinn gehabt haben. Heute aber weißt Du, dass alles verloren ist.
2. Der Krieg mag von den Fanatikern noch weitergeführt werden. Nach dem letzten Versuch muss aber auch jeder Soldat einsehen (wenn er Soldat ist und nicht Parteipolitiker), dass durch Weiterkämpfen der Ausgang nicht mehr beeinflusst werden kann.
3. Wieder befinden sich unter den Soldaten, die „ausgefallen“ sind, zehntausende, die jetzt in Kriegsgefangenschaft den Frieden abwarten. Damit ist die Zahl der Kameraden, die im Westen in Gefangenschaft geraten sind, auf 850 000 angewachsen.
Diese Kameraden haben das Spiel gewonnen.“
Dieses Flugblatt ist gut gemacht und nachvollziehbar. Es wird Wirkung zeigen. Wenn ich dagegen an die deutschen Flugblätter denke, die während der großen Schlacht westlich von Düren von unserer Artillerie zu den Amerikanern hinübergeschossen wurden! Da wurden Bräute der amerikanischen Soldaten in verfänglichen sexuellen Situationen mit Drückebergern und Kriegsgewinnlern zu Hause in Amerika gezeigt. Das war alles! Das konnte die uns gegenüberliegenden Amerikaner doch nur dazu bewegen, dem Krieg durch einen schnellen Sieg ein Ende zu bereiten.